Coolman und ich. Rette sich, wer kann. (German Edition)
Wo es doch hier andauernd regnet. Wenn ihr mich fragt, waren die nicht so besonders clever, die das gebaut haben.« Ich finde das einen sehr vernünftigen Einwand von mir, aber Lena wirft mir nur einen bösen Blick zu und ihr kleiner Lord ignoriert mich vollständig. Er erzählt lieber weiter, was er alles über die Bronzezeit weiß. Das ist eine ganze Menge, und deswegen trolle ich mich, um mir die Steinriesen aus der Nähe anzusehen.
Wegen des Regens ist nicht viel los. Eigentlich gar nichts. Sogar die Wärter haben sich in ihre Hütten am Parkplatz verzogen. Auf ziemlich vielen von den Felsen haben sich Touristen verewigt, indem sie ihre Namen in die Steine geritzt haben. Es ist aber niemand dabei, den ich kenne.
Bis auf einen: »COOLMAN was here«.
Als ich zu den anderen zurückkomme, hocken Lena und Charles auf einer Decke und machen ein Picknick.
Im strömenden Regen!
Der Butler hält den Schirm schützend über die beiden, sodass sie und ihr Picknickkorb nicht nass werden. Nach zwei Tagen Schwarzbrot-Diät läuft mir das Wasser im Mund zusammen, als ich die kalten Hähnchenschenkel und die belegten Sandwichs erblicke. Sie sehen köstlich aus, wenn auch etwas feucht.
»Hast du auch Hunger, Kai?« Lena winkt mich heran und für einen Moment kämpft mein Stolz mit meinem Hunger einen erbarmungslosen Kampf. Zum Glück gibt mein Stolz schnell auf, wofür ich ihm sehr, sehr dankbar bin.
»Nicht viel«, schwindele ich. »Aber einen von den Hähnchenschenkeln würde ich wohl mal probieren.«
»Das ist kein Hähnchen. Das ist Fasan«, korrigiert mich der kleine Lord.
Mir ist das ziemlich schnuppe. Hauptsache, es kommt nicht aus der Dose oder schmeckt nach Schwarzbrot.
»Gibt es auch Ketchup?«, frage ich, als Lena mir einen der Fasanenschenkel reicht.
Der kleine Lord lässt vor Schreck sein Sandwich fallen. Es fällt in eine Pfütze, die sich neben der Decke gebildet hat, und geht sofort unter, weil es so dick mit allen möglichen Delikatessen belegt ist.
»In the car, Mylord«, antwortet der Butler, und das ist das erste Mal, dass ich ihn überhaupt etwas sagen höre.
Ich hatte schon befürchtet, seine Herren hätten ihm die Zunge rausgeschnitten, damit er keine peinlichen Familiengeheimnisse verraten kann. Früher soll so etwas ja üblich gewesen sein.
»Thank you«, antworte ich höflich und gehe zum Wagen, weil der Butler seinen Schirmposten schlecht verlassen kann.
Ich öffne die Wagentür und springe schnell hinein. Drinnen ist es schön warm und trocken. Im Fußraum vor dem Beifahrersitz steht ein Kühlschrank, der leise vor sich hin brummt. Darin sind kalte Getränke, Vanilleeis mit Erdbeeren für den Nachtisch, ein Glas mit ekligen schwarzen Kügelchen und eine Flasche Ketchup.
Trotz meiner schlechten Erfahrungen mit dem Helm lasse ich meine Hände vorsichtig über das Lenkrad gleiten. Es ist aus dunklem Holz und fühlt sich wahnsinnig edel an. COOLMAN flüstert die ganze Zeit »Tu es, tu es, tu es!«, und erst jetzt sehe ich, dass der Zündschlüssel steckt.
Zu Hause leiht sich meine Schwester Anti nachts manchmal heimlich den Wagen meiner Eltern aus. Sie hat keinen Führerschein und fährt trotzdem. So schwer kann das also gar nicht sein. Ich will ja auch nicht fahren. Ich will nur einmal kurz den Motor starten. Nur um zu spüren, wie sich das anfühlt.
Ich drehe den Zündschlüssel und der Wagen fängt an zu schnurren. Er hört sich an wie ein Tiger, dem man zärtlich den Bauch krault.
Wenn ich langsam mit dem Wagen zur Picknickdecke zurückfahre, brauche ich nicht durch den Regen zu laufen, denke ich und drücke ganz leicht auf das Gaspedal.
Ihr dürft mich COOLMAN II nennen, sollte Lena nicht beeindruckt sein, wenn ich neben ihnen anhalte und lässig aus dem Rolls-Royce steige.
Mit einem Mal macht der Wagen einen Satz nach vorn, obwohl ich das Pedal nur ganz leicht berührt habe.
Der Rolls-Royce saust über den Rasen, schießt haarscharf an der Picknickdecke vorbei und kracht gegen einen der Steine. Der Airbag geht sofort auf und versperrt mir die Sicht durch die Windschutzscheibe. Aber das macht nichts. Ich kann hören, was passiert. Der Stein fällt und kippt gegen den Stein daneben. Es ist genau wie bei den Dominosteinen, die man in eine Reihe stellt, damit sie sich nacheinander umschmeißen ... nur eben in groß ... in sehr groß ... in XXXXL.
Als die Steine mit einem lauten klack, klack, klack, klack, klack, klack, klack, klack einer nach dem anderen zu Boden gehen,
Weitere Kostenlose Bücher