Coolman und ich. Rette sich, wer kann. (German Edition)
Weil der Graben so eng ist, treten immer nur zwei Teams gegeneinander an. Der kleine Lord ist mit seiner Mannschaft – zwei Jungen und ein Mädchen – schon an Bord gegangen. Die Jungen sitzen alle verkehrt herum im Boot, sodass sie gar nicht sehen können, wo sie hinfahren. Echt peinlich, denke ich grinsend, und für einen Moment überlege ich, ob es nicht fairer wäre, die Engländer auf ihren Irrtum aufmerksam zu machen. Wir setzen uns jedenfalls richtig rum, mit dem Gesicht in Fahrtrichtung, und das ist gar nicht so einfach, weil das Boot beim Einsteigen hin und her schwankt.
»Hört gut zu, meine tapferen Krieger der See!«, appelliere ich an meine Mannschaft, als wir endlich unsere Plätze eingenommen haben. »Wir werden diese hochnäsigen Engländer in Grund und Boden rudern. Wir werden sie versenken! Wir ...«
»Was soll der Quatsch, Kai?«, unterbricht Lena mich ärgerlich. »Das ist eine Ruderregatta! Kein Krieg!«
»In Grund und Boden rudern, das ist echt cool«, ruft Justin begeistert.
»Klar versenken wir die, Alter!«, stimmt Alex ein und haut mit dem Ruderblatt auf das brackige Wasser, sodass dicke Tropfen auf dem weißen Ruderdress des kleinen Lords landen und dort hässliche braune Flecken hinterlassen.
Die beiden sind heiß auf das Rennen, und das ist gut so. Ich habe keine Lust, mich ein weiteres Mal von dem kleinen Lord demütigen zu lassen. Diesmal werden wir es ihm zeigen. Ich kann es kaum erwarten, bis der Startschuss fällt.
So eine ähnliche Taktik hatte ich mir auch schon überlegt. Bevor es endlich losgeht, erklärt der Butler noch kurz die Regeln.
»Wir müssen einmal um die Burg rudern«, übersetzt Lena für uns. »Wer zuerst wieder an der Zugbrücke ist, hat gewonnen.«
»Alter, Entern ist aber erlaubt, oder?«, fragt Alex.
»Ich befürchte nicht«, antworte ich.
»Echt nicht? Und was ist mit Rammen?«
»Versuch es erst gar nicht!«, erwidert Lena und funkelt Justin drohend an.
Für einen Moment befürchte ich, dass die zwei wieder aussteigen, weil ihnen eine Regatta ohne Rammen und Entern keinen Spaß macht. Doch dazu bleibt gar keine Zeit, weil der Startschuss ertönt. Mit wenigen kräftigen Ruderschlägen schießen die Engländer auf dem Wasser davon.
Es sieht aus, als hätten sie uns belauscht und würden nun dreist COOLMANs Renntaktik kopieren.
Dafür brauchen sie sich gar nicht so ins Zeug zu legen, weil unser Boot einfach nicht vorankommt. Vielleicht sitzen wir ja doch falsch rum?
Vielleicht rudert man rückwärts schneller als vorwärts?
Vielleicht ist die Welt doch eine Scheibe?
Woher soll ich das wissen?
Meine Erfahrung mit Schiffen beschränkt sich auf eine halbe Stunde Tretbootfahren auf einem Baggersee und eine Fährüberfahrt, die ich komplett verschlafen habe.
»Links! Jetzt rechts! Das ist nicht rechts, Alex! Die andere Seite ist rechts«, versucht Lena uns durch den Burggraben zu steuern.
Unsere Ruder verhaken sich ständig ineinander. Außerdem können Alex und Justin nur einhändig paddeln. Mit der anderen Hand müssen sie ihre Röcke festhalten, damit die Zuschauer am Ufer ihre Unterhosen nicht sehen können. Ich als ihr Kapitän bin ja schon froh, dass sie überhaupt welche anhaben.
Die Engländer liegen uneinholbar vor uns, und es ist reiner Sportsgeist, dass wir das Rennen zu Ende rudern und nicht schon an Ort und Stelle aufgeben.
Tatsächlich! Trotz unseres Wasserschneckentempos verringert sich plötzlich der Abstand zu den Engländern. Wenn mich nicht alles täuscht, liegt ihr Boot jetzt auch viel tiefer im Wasser als noch beim Start. Als wir sie kurz darauf überholen, sehe ich, warum. Sie haben ein Leck und laufen voll. Dem kleinen Lord steht die braune Brühe schon bis zur Brust. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie komplett abgesoffen sind.
Ich habe mal gelesen, dass im Seekrieg die Matrosen versenkter Schiffe an Bord genommen werden müssen. Aber erstens ist das hier kein Krieg – hat Lena selbst gesagt –, und zweitens ist das Wasser nicht besonders tief.
»Wer ist dafür, dass wir sie retten?«, lasse ich meine Mannschaft abstimmen.
Das Ergebnis ist 4:1 dagegen, weil COOLMANs Stimme natürlich auch zählt, und damit ist Lena klar überstimmt. Also rudern wir gemächlich und ungefährdet an neugierigen Enten und stolzen Schwänen vorbei unserem Sieg entgegen.
Als wir die Zugbrücke erreichen, sind der kleine Lord und seine Mannschaft schon da. Weil wir so langsam waren, hatten sie genug Zeit, ihr Boot auf dem Landweg
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