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weitaus sorgloser um als ich. Erlebnis-Abhängige. Org-Krieger. Hausmeister, die haufenweise kommerzielle Einweg-Modelle herstellen. Und blaue Polizisten, die nicht zögern würden, vor einen Zug zu springen, um eine Katze zu retten. Und dann die Nihilisten…«
Bei diesem Wort verzog Maharal wie schmerzerfüllt das Gesicht. Und es war eine sehr persönliche Art von Schmerz. Ich fügte einige Dinge zusammen, die erst einen Tag alt zu sein schienen, und daraus ergab sich eine Erkenntnis.
»Ihre Tochter«, spekulierte ich.
Maharal nickte kurz. »Man könnte Ritu in gewisser Weise als Nihilistin bezeichnen. Ihre Ditos sind… unberechenbar. Treulos. Scheren sich um nichts. Ich glaube, das gilt auch für Ritu… auf einer gewissen Ebene.«
Das Schuldgefühl in den subtilen grauen Gesichtszügen war leicht zu erkennen. Woraus sich ein Ansatzpunkt ergeben mochte. Ein neuer Ansatzpunkt, denn meine Vorgänger in der Gewalt des Wissenschaftlers hatten Ritu nicht kennen gelernt. Konnte ich diese persönliche Verbindung irgendwie zu meinem Vorteil nutzen? Wenn es mir gelang, Yosil dazu zu bringen, mich mehr als eine Person zu sehen…
Doch Maharal schüttelte nur den Kopf, und seine Züge verhärteten sich. »Lassen Sie uns einfach feststellen, dass kein isoliertes Merkmal Ihre Fähigkeit erklärt, Morris. Ich glaube, es handelt sich um eine besondere Kombination, vielleicht unwiederholbar bei einer anderen Person, die in ihrem eigenen komplizierten Leben verstrickt bleibt. Der lokale Gesichtspunkt, sehr begrenzt und doch süchtig machend, ist lange Zeit für eine unzerreißbare Kette gehalten worden. Für einen Anker der Seele.«
»Ich verstehe nicht…«
»Natürlich verstehen Sie nicht. Wenn Sie verstünden, würde Ihr Selbst angesichts der majestätischen Schönheit und des Schreckens dieser ganzen Sache verzagen!«
»Ich…«
»Oh, es ist nicht Ihre Schuld.« Nach dem kurzen Aufbrausen beruhigte sich Maharal sofort wieder. »Jeder von uns bleibt davon überzeugt, dass unser eigener subjektiver Gesichtspunkt wichtiger ist als der aller anderen, außerdem auch triftiger als die objektive Matrix unter der so genannten Realität. Immerhin bietet die subjektive Aussicht großartiges Theater. Jeder von uns wird zum Helden eines kontinuierlichen Dramas. Deshalb überleben Ideologien und Fanatismus entgegen aller Logik.
Oh, der subjektive Eigensinn hatte Vorteile, als wir fleißig dabei waren, uns zu den besten Egozentrikern der Natur zu entwickeln. Er führte zur menschlichen Herrschaft über den Planeten… und mehrmals fast zur Auslöschung unserer Spezies.«
Ich erinnerte mich plötzlich an die erste Begegnung mit Maharals grauem Geist am Dienstag bei UK, kurz nachdem man sein Original tot im Wagen gefunden hatte. An jenem Morgen hatte DitYosil auf überraschende Weise von seinem Archi gesprochen, RealYosil als paranoid bezeichnet und als von düsteren Wahnvorstellungen heimgesucht beschrieben. Später hatte er Albträume erwähnt, von »verrückt gewordener Technik… Die gleiche Furcht, die auch Fermi und Oppenheimer kennen lernten, als sie den ersten Atompilz sahen…«
Zu jenem Zeitpunkt war es leicht gewesen, einfach darüber hinwegzugehen. Jetzt machte es mich nachdenklich. Hatten Vater und Tochter verschiedene Versionen der gleichen Basistendenz? Der Hang zum unzuverlässigen Kopieren? Welche Ironie des Schicksals wäre es gewesen, wenn einer der Gründer der modernen Dito-Technik keine zuverlässigen Golems schaffen konnte!
Ich fragte mich, wann genau Yosil Maharal seinen großen konzeptionellen Durchbruch geschafft hatte. Letzte Woche? Montag? Nur wenige Stunden vor seinem Tod, als er sich allein und sicher wähnte? Es lief mir kalt über den Rücken, als ein Verdacht wuchs.
Unterdessen setzte der graue Golem seinen Vortrag fort. »Nein, der Nutzen egozentrischer Selbstüberhebung lässt sich nicht leugnen, damals, als individuelle Menschen miteinander wetteiferten und auch gegen die Natur ums Überleben kämpften. Doch jetzt wird sie zum Nachteil und fördert soziale Entfremdung. Um es grundsätzlicher auszudrücken: Sie beschränkt den Bereich von Plausibilitäts-Wellenfunktionen, die wir wahrzunehmen bereit sind…«
Maharal zögerte. »Dies wird zu kompliziert für Sie.«
»Ich schätze, da haben Sie Recht.« Ich überlegte kurz. »Ich glaube, vor einer Weile habe ich in diesem Zusammenhang einen populärwissenschaftlichen Artikel gelesen… Sie sprechen vom Beobachtereffekt, nicht wahr?«
»Ja!«
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