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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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– aus
energetischen Gründen, da auf so kurze Entfernungen Aufwand und Nutzen in
keinem vertretbaren Verhältnis stehen. Aber eigenartigerweise gilt dieses
Verbot nicht für Villafleur. Nur nachts – wenn die Programme laufen – dürfen
auch in der Zentralstadt keine Airspider n mehr fliegen. Allerdings scheint es
sogar von dieser Regel Ausnahmen zu geben: Zwei- oder dreimal war es Hyazinth
in schlaflosen Nächten, als hörte er das für den Tiefflug typische Brausen aus
der Richtung des Kegelturms der Hohen Exarchie... Da zischt plötzlich ein
Schatten so dicht über ihn hinweg, daß Hyazinth unwillkürlich den Kopf
einzieht. “Idiot!” schimpft er aufgebracht und droht mit der Faust.
    “Was ist denn mit dir los?
Tagetes hat dir doch gar nichts getan.” fragt Holunder erstaunt.
    “Den habe ich ja auch gar nicht
gemeint. Sondern den Idioten da...” Hyazinth zeigt nach oben, aber da erst wird
ihm bewußt, daß der Schatten nicht das brausende Geräusch der
Airspidergeneratoren erzeugt hatte, sondern ein rhythmisches Peitschen, wie von
gewaltigen Vogelschwingen. Außerdem ist nirgends ein Flugkörper zu sehen.
Nichts ist zu sehen, absolut nichts. Er schüttelt verständnislos den Kopf, und
Rutila sagt: “Unser Schulprimus ist noch nicht richtig wach, wie’s scheint.”
    Aber da war doch etwas, ein
riesiger, vogelähnlicher Schatten, grübelt Hyazinth noch eine Weile. Aber er
schweigt. Vielleicht hat Rutila je recht, und ich habe wirklich noch ein
bißchen diesen Scheißtraum von heute Nacht weitergeträumt...
      Sie kommen an unzähligen Ipops - Inputoutputs,
wo man mit Geld reingeht und ohne wieder herauskommt - vorbei, und Hyazinth
vergißt die eigenartige Sinnestäuschung. Er bessert sein Konto auf, indem er
eine Handvoll Edelsteine kauft. Überall flimmern Leuchtschriften von den
Wänden, es ist wie ein Dauergewitter aus allen Farben des Regenbogens. Selbst
im Ipop “Pyramide” strahlen die Märtyrergebote auf rubingefaßten kleinen
Quarzscheiben – hier allerdings nicht so sehr zum Zwecke der Erbauung, sondern
als Vorauswahl für Kaufwillige. Hyazinth entdeckt eine herzförmige Scheibe,
deren Spitze mit einem großen Opal geschmückt ist. Zufällig leuchtet auf diesem
Display gerade sein Lieblingsgebot: “Bemühe dich um Harmonie, denn jedes
Teilchen hat nur einen Platz im großen Gefüge, ob oben oder unten.” Das zwölfte
Generalgebot. Darunter der helle Opal – Hyazinth will es wie ein Gleichnis
erscheinen.
    Er greift nach der Scheibe und
streicht behutsam über den Stein. Schon immer faszinierte ihn dieser Gegensatz
zwischen der lichten Reinheit des Minerals und der wie unter einem hauchzarten
Schleier verborgenen schillernden Oberfläche. Es ist, als könne man den Stein
zwar in Händen halten, ihn dabei aber nie wirklich berühren, weil er von einem
unsichtbaren Kraftfeld umgeben ist.
    Ob der Masterteacher sich über
das Geschenk freuen wird? Es liegt Hyazinth fern, sich bei Opal Stein mit
Aufmerksamkeiten solcherart einschmeicheln zu wollen. Seine Ehrerbietung drückt
er anders aus: durch Fleiß, Ausdauer und Demut. Hyazinths Verehrung für den
väterlichen Freund und Lehrer ist frei von jeglicher eigennützigen Regung. Es
sei denn, jemand würde die sengende Gier des jungen Mannes nach Wissen und
Erkenntnis Eigennutz nennen...
    Rutila und Holunder haben auf ihn
gewartet. Sie sehen ihn nicht, als er sich nähert, und so versteht er die
letzten Sätze von Holunder.
    “...du kannst alles tun, was dir
Freude bereitet, denn dann freut es auch mich. Nur um eines bitte ich dich:
Mach es mit mir nie, wie Jade mit –” Plötzlich unterbricht er sich, weil er Hyazinth
bemerkt.
    “Was ist mit Jade?” fragt der,
und eine vage Ahnung von drohendem Unheil knistert unter seinem Schädel.
    “Ach nichts.”
    Seine Unruhe verstärkt sich, als
er den seltsamen Blick bemerkt, mit dem Rutila ihren Partner bedenkt.
    Daß mit Jade irgendeine
rätselhafte Veränderung vorgegangen ist, konnte auch den beiden anderen nicht
verborgen geblieben sein. Sie wurde immer stiller und in sich gekehrter, aber
nicht wie ein Mensch, der die Worte scheut, weil sie die Schönheit der ihn
umgebenden Welt beflecken würden, vielmehr schien es ihm die Einsilbigkeit
einer tiefen Langeweile zu sein.
    Schließlich kam sie nachts nicht
mehr zu Hyazinth und erwiderte seinen Morgengruß mit einer Flüchtigkeit, die
ebenso bedrückend war wie die Einsamkeit in den Stunden, da die Programme
laufen.
    Manches Mal hat

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