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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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Edelstein, einen Augenblick lang bildet sich eine Unmutsfalte zwischen
ihren Augen und scheint ihre Nase unendlich zu verlängern. Dann aber lacht sie
plötzlich. “Ich mag kesse Knaben – komm, mein Sohn, laß uns schweben!” Nun wird
Hyazinth wütend und gewinnt damit seine Sicherheit zurück. Er packt sie beim
Arm, als sie gerade in den Schacht springen will und hält sie zurück. “Einen
Moment noch, große Schwester! Wenn dir dein Greisenalter schon den Verstand
versteinert, ist das ja sehr bedauerlich. Doch solltest du dann nicht mehr so
viel reden – dir rieselt nämlich dabei der Kalk aus den Mundwinkeln, und eines Tages
hast du dann nur noch Luft im Schädel.”
    Den Bruchteil einer Sekunde
blickt sie ihn zornig an. Dann sagt sie bedächtig: “Ein Hyazinth Blume darf
sich solche Frechheit ungestraft erlauben. Doch merke dir: Auch du könntest die
Gunst des Exarchen     verlieren, und dann
wäre es töricht, solches zu einem Kurier Korund Steins zu sagen – ein falsches
Wort am falschen Ort kann ein ganzes Leben zerstören.” Und schließlich setzt
sie mit einem freundlichen Lächeln, das ihm etwas gezwungen vorkommt, noch
hinzu: “Nimm es als guten Rat von jemandem, der es besser weiß als jeder
andere…”
    Es hatte wie eine unverhüllte
Drohung geklungen, und dabei wäre Hyazinth beinahe entgangen, daß sie von der
Gunst des Exarchen     sprach. Irgendetwas
ist daran seltsam, neuerdings meinen alle zu wissen, der Exarch    hätte ein besonderes Interesse an mir, denkt
er mit Unbehagen. Opal, Sirrah und jetzt diese blöde, hochnäsige Gans – alle
wissen etwas, wovon ich nicht einmal ein schwache Ahnung habe. Dunkel wird ihm
bewußt, daß etwas dran sein muß an dem Gerücht, die Kuriere seien die
bestinformierten Leute in Weltenstein. Daß Opal Stein und Sirrah Dinge über ihn
wissen, deren Bedeutung ihm selbst noch nicht klar geworden ist, mag normal
sein. Aber daß auch diese Frau mit der gewaltigen Nase Kenntnis von diesen
Sachen hat, das ist beunruhigend. Hyazinth hat nichts zu verbergen, aber er mag
es nicht, wenn andere Leute mehr über ihn wissen als er preiszugeben bereit
ist. Das mag wohl niemand besonders, sagt er sich. Was nur könnte es sein?
    “Ratschläge habe ich in letzter
Zeit reichlich erhalten”, antwortet er finster, “mit einer Auskunft dagegen
wäre mir eher gedient.”
    “Aber bitte, gern.” Die Frau bebt
förmlich vor Ungeduld, endlich eins ihrer kostbaren Geheimnisse unters Volk
bringen zu dürfen.
    “Weshalb genieße ich deiner
Meinung nach die Gunst des Ersten Exarchen?”
    Ihr Blick schnellt zur Seite und
wandert behende über fremde Gesichter. “Frage bitte etwas anderes!” sagt sie
abweisend.
    Ihre ablehnende Haltung bestärkt
Hyazinth in seinem Gefühl, auf geheimnisvolle Weise zum Spielball fremder
Mächte geworden zu sein. Ein letztes Mal versucht er es mit Spott. “An dieser
Stelle ist wohl schon ein Loch in deinem Kalkstein, oder ist die Frage so
trivial, daß eine Antwort unter deiner Würde ist?”
    Ihre Reaktion erschreckt ihn
tief. Mit einem wütenden Fauchen fährt sie herum und starrt ihm in die Augen,
als wolle sie ihn hypnotisieren. Dabei tätschelt sie ihm fast liebevoll die
Wange, aber mit einer Geste als führen ihre Finger über den Marmor einer wertvollen
Skulptur. Dann sagt sie mit kalter Freundlichkeit: “Mit einem einzigen Satz
könnte ich dich vernichten, Hyazinth Blume. Ich brauchte dir nur das Wissen zu
geben, nach dem du begehrst, denn es bedeutet eine solche Macht, daß deine
schwachen Hände nicht imstande wären, sie sinnvoll zu gebrauchen. Stell’ diese
Frage nie wieder, niemanden und keinem!”
    Noch im verwirrenden Röhrennetz
beschäftigt ihn diese dunkle Warnung so sehr, daß die Frau ihn grob in die neue
Richtung stößt, als er mehrmals ihre Zeichen übersieht. Erst als sich die
Panzertür der obersten Etage hinter ihm schließt, verdrängt die bange Erwartung
ungewisser Entscheidungen über sein Leben alle anderen Gedanken. Trotzdem ist
er noch in der Lage einen schnellen Blick in das dunkel getönte Glas einer
Trennwand zu werfen. Das Ergebnis stellt ihn zufrieden. Heute hat er das feine
Gespinst seiner sonst in dichten filzigen Kringeln über die Schultern fallenden
Haare straff nach hinten gekämmt, wo es im Genick von einer Nephritspange
gehalten wird und in einem strengen Knoten endet.Vielleicht gibt die auf diese
Weise betonte hohe Stirn seinen Zügen etwas Weibisches. Dieser Eindruck wird
aber durch die

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