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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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Prismant
geschliffen, ein Meisterwerk von unvergleichlichem Feuer. Funkengarben
prasselten aus dem Kristall von der Größe einer Weinbeere. Trotz der
auffälligen Schönheit dieses Minerals hat er dem Zirkon nie sonderliche
Beachtung geschenkt. Das lag wohl vor allem auch daran, daß man in Weltenstein
besonders Aluminiumoxide – die Varietäten des Korund – schätzt: Rubin,
Saphir und Padparadscha.
    Probehalber hielt Hyazinth einen
etwa gleichgroßen, orangefarbenen Korund neben den Zirkon und seufzte vor
Entzücken: Im Strahlen und Funkeln des gelben Prismanten erlosch der
Padparadscha augenblicklich zu einem müden Glimmen.
    Wird der Exarch    mir diese Anmaßung verzeihen können? fragte
er sich unruhig, aber seine Wahl war längst getroffen. Was Sirrah Stern in
geheimnisvollen Worten von diesem Stein erzählt hatte, war ihm erst nach dem
plötzlichen Abschied richtig bewußt geworden. Auch den fernen Stern hat er sich
angesehen. Seltsame Gedanken gingen ihm durch den Sinn, als er sich in das
Strahlen dieser mächtigen Sonne vertiefte, deren Abbild er sich auf die
Membranwand seiner Wohnblase geschaltet hatte. Fast schien es ihm das   prächtigste Gestirn am Himmel, dieser leuchtende
Namensvetter.
    Nun flammt der Zirkon wie eine
kleine Sonne auf seiner Brust, und beinahe ist es Hyazinth, als pulsiere das
Flimmern und Strahlen im Takt seines Herzschlags. Doch liegt das wohl eher
daran, daß sein Brustkorb sich in heftigen Atemzügen hebt und senkt – Hyazinth
ist aufgeregt. Noch ein letztes Mal blickt er in den Spiegel. Nein, dieser
Schimmerglanz seiner Augen ist zu mondän, schließlich geht er nicht zum
Rendezvous mit einer Frau. Er seufzt und wühlt noch einmal in seiner
Kosmetikbox. Vier Tage tränen einem die Augen nach der Behandlung mit dem
Schimmerbalsam – eine wahre Höllenqual. Aber dann hält dieses verführerische
Blitzen und Funkeln mindestens vier Wochen. Egal, das alles zählt heute nicht.
    Hyazinth nimmt den Flakon mit dem
Vertieferöl und tröpfelt sich ein wenig davon in jedes Auge. Es brennt ein
wenig, aber nur kurze Zeit.
    Dann betrachtet er noch mal sein
Spiegelbild und nickt befriedigt. Die Vertiefersubstanz hat das Glitzern des
Schimmerbalsams fast völlig gelöscht. Dafür glüht es tief aus seinen Augen wie
Abendrot – warm und freundlich wirkt der Blick seiner wasserklaren Augen auf
einmal, beinahe ein wenig weise.
    Wie ein Sonnenuntergang über dem
unendlichen Ozean, denkt er, das wird dem Exarchen     sicher gefallen.
    Hyazinth ist ein Könner im
kosmetischen Fach. Sogar Frauen fragen ihn oft um Rat. Wofür andere Stunden
benötigen, erledigt er mit wenigen Griffen und sicherem Gefühl für die beste
Wirkung. Manchesmal hat er schon heimlich und leidenschaftlich bedauert, nicht
zu jener Zeit geboren worden zu sein, als die Menschen den ganzen Tag nichts
weiter taten als sich an- und auszukleiden, zu schmücken und zu frisieren.
    Aber vielleicht ist es gerade die
Strenge der Märtyrergesellschaft, die Üppigkeit und Formspielerei strikt
ablehnt, was aus ihm einen Künstler, einen Ästheten schuf. Wenn er keinerlei
Beschränkung ausgesetzt wäre, keinem reglementierenden Zwang, womöglich brächte
er nur noch bunten Kitsch zustande.
    Der Edelstein auf seiner Brust
flammt wie der Abendstern im tiefen Blau des Trikots.
    Rutila hat keinerlei Nachricht
hinterlassen. Im Augenblick betrübt ihn das kaum, für solche Regungen ist jetzt
kein Raum in seinem Denken. In Gedanken wiederholt er immer wieder die
Grußformel, mit der man den Ersten Exarchen    anspricht.
    Noch im Schwebschacht des
Trägerkerns flüstert er unentwegt vor sich hin: “Ewige Liebe, Deva, Bewahrer,
Seher und Schöpfer… ewige Liebe, Deva…”
    Deva - dieses Apellativ darf nur
für die Anrede des Exarchen     gebraucht
werden. Niemand wußte genau zu sagen, was es eigentlich heißt. Opal erläuterte
einmal, es sei ein Wort aus dem alten indischen Sanskrit, und früher habe man
davon das griechische Deos, aus dem die Lateiner dann Deus machten, abgeleitet.
Hyazinth bezog seinerzeit den ersten ernsthaften Tadel, als er fragte, ob nicht
viel wahrscheinlicher die Herleitung des angelsächsischen Devil von diesem
Sanskritwort sei.
    Der Ärger des Masterteachers
konnte ihn nicht hindern, der Sache auf den Grund zu gehen. Nach langem Suchen
fand er die Textstelle, die ihm überraschenden Aufschluß gab. In einem
Kommentar zu den Brahmanas las er, daß Deva tatsächlich zwei Bedeutungen hatte:
Es war der Rang

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