Copyworld: Roman (German Edition)
emporschleudernd, schießt er geradewegs auf Derek
zu.
Der junge Herrscher von Seemark
hebt die Waffe.
“Also gut, dann stirb”, murmelt
er und zielt mit der funkelnden Klinge auf das Gesicht des Tiers.
Die Augen des Attanaiholls glühen
in geisterhaftem Grün. Derek preßt sich den Schaft aus Schneebuchenholz gegen
die Schulter, stellt ein Bein zurück, stemmt es kräftig gegen den Boden.
Deutlich kann er das grimmige Lächeln im Hollgesicht sehen und die blutrot
schimmernden Zähne.
Hundertmal hat Aja ihm
eingeschärft, sich nicht von den menschenähnlichen Gesichtszügen verwirren zu
lassen, und doch zögert Derek erneut eine Winzigkeit, senkt um ein Weniges die
Spitze der Elridssense, als ihm der Blick des Bergholls in den Augen brennt.
Der Zusammenprall dröhnt wie
Donnergetöse durch die Berge. Einen klaffenden Schnitt hinterlassend, zuckt die
Klinge der Leibsense über die Wange des Scheusals, prallt gegen eine Schwinge,
und die Waffe wird Derek aus der Hand geschmettert. Über seinem Kopf krachen
die Hornkanten der Flügel zusammen, als er sich blitzschnell zu Boden wirft,
und er sieht, wie sich die Leibsense zwei Dutzend Schritte entfernt in den
Schnee bohrt.
Der Holl fängt den Schwung seines
Angriffes mit zwei flatternden Flügelschlägen ab und landet genau dort, wo der
Schaft der Waffe aus dem Boden ragt. Dann dreht er sich gemächlich um und
faltet seine Schwingen. Derek erhebt sich kraftlos. Der Tod ist ihm gewiß,
Flucht sinnlos. Auch der Holl weiß das, und deshalb läßt er sich Zeit.
Ealtheas Pendel muß aus dem Takt
geraten sein, denkt Derek und spürt Kälte in seinem Leib aufsteigen, eisig
zwischen die Gedanken sickern.
Der Holl lächelt immer noch.
Schwarz rinnt das Blut aus der Wunde und tropft von seinem Kinn, aber der
Bergholl lächelt traurig und rührt sich nicht. Er seufzt sogar, mit einer
Stimme, die so sehr menschlich klingt, daß es Derek durch Mark und Bein fährt.
Reglos stehen sie einander
gegenüber, Derek vor Todesfurcht wie versteinert, das Untier in einer Haltung,
als koste es Überwindung, dem Menschen das Leben zu nehmen.
Ganz schwach keimt Hoffnung in
Dereks ersterbenden Gedanken. Glaubt der Holl vom Attanaiberg immer noch an
seinen Tod? Weiß er so genau, durch die Hand des Menschen sterben zu müssen,
daß er deshalb einen letzten, schwermütigen Blick über sein Reich schweifen
läßt?
Aber wie? Wie soll ich ihn jetzt
noch besiegen? hämmert es in Dereks Gehirn wie in Eiriks Schmiede. Mit meinen
bloßen Händen?
Derek hebt langsam die Arme und
ballt die Fäuste. Ein schmerzerfülltes Glimmen tritt in die Augen des Holls.
Nur die Armschienen sind Derek geblieben, die eisernen Schienen mit den Haken
der Sensenbrecher, _ gut gegen die Leibsensen der Knechte aus Roriks Horde,
wenn man versteht, die Klingen mit den Haken zu fangen und durch eine schnelle
Bewegung des Unterarms zu brechen. Aber was sollen ihm die Eisenschienen gegen
den Holl helfen?
Wieder drängt das Bild der
Geliebten in seine Gedanken, obgleich er sich unentwegt zwingt, nicht an Andel
zu denken, aus Furcht, es könnte ihn schwächen. Eirik, ihr Vater, hat ihm die
Sensenbrecher geschmiedet. Erst lächelte Derek mit schlecht verhohlenem Spott
und sagte, das sei doch wohl eine Waffe für Hirten und Bauern. Aber Eirik
zerbrach sieben Leibsensen, und je ungestümer Derek auf ihn einhieb, desto
schneller endete der Kampf. Nur die Elridssense widerstand den geschmiedeten
Haken, aber dafür riß Eirik ihm die Waffe aus den Händen, und Derek fiel es
sehr schwer, den Schmied nicht zu bestrafen für dessen Stolz und dessen Kraft.
Wie Peitschenhiebe zerfetzen die
Flügelschläge des Attanaiholls die Stille. Die Eisfichten klirren unter dem
vielfachen Echo, und der Schnee stiebt auf, als führe ein Sturmwind in das
kalte Weiß.
Mit einem heiseren Schrei stürzt
sich der Holl auf ihn, und diesmal wankt Derek keinen Augenblick, als er die
Tränen in den Augen der Bestie sieht, und plötzlich wird ihm klar, wie er sich
wehren muß.
Weder weicht er zurück, noch
duckt er sich. Gedankenschnell reißt Derek die Arme hoch, als der Holl die
Flügel zusammenschlagen will, um ihm mit den Hornkanten den Kopf vom Leib zu
trennen. Die Armschienen krachen gegen Dereks Schädel, ihm wird schwarz vor
Augen, und der Triumphschrei des Ungeheuers durchschrillt ihn wie höllischer
Schmerz.
Da werden seine Muskeln hart wie
Fels. Die Fäuste zucken nach oben, wie Schmiedezangen packen die Haken der
Sensenbrecher die
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