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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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Leben, daß Ealthea ihm aufgab? Wäre er ein Mensch, dann
täte er es um des Bösen willen, wie Rorik, dann würde ich ihn ohne Erbarmen
richten können. Aber er ist doch nur eine Kreatur, von Ealthea geschaffen,
unseren Übermut zu zügeln...”
    Ein leises Zirpen läßt ihn
zusammenzucken.
    Nur ein dutzend Schritte entfernt
steht wieder der Holl und starrt ihn aus flackernden Augen an.
    “Geh doch!” preßt Derek hevor.
“Was schleichst du mir nach, nur damit ich dich töte! Du bist doch ein Tier und
kein edler Recke, dessen Ehre nur durch den Tod unbefleckt bleibt. Ich will es
nicht tun!” Oder folgt er mir, weil er genau weiß, daß ich sein Ei suche?   fragt sich Derek erregt. Wird er mich dann
mit dem Mut der Verzweiflung noch ein letztes Mal angreifen?
    Die Haltung des Tieres ist
eigentümlich verändert. Es nähert sich Derek nicht weiter und fordert ihn auch
nicht auf, ihm den Gnadenstoß zu versetzen. Statt dessen schleppt es sich
einige Schritte durch den tiefen Schnee, als wolle es zu der steilabfallenden
Felswand an der entgegegesetzten Seite des Berges Attanai.
    Derek atmet erleichtert auf. Als
hätte er mich verstanden, denkt er und starrt auf die breite Spur, die durch
die schleifenden Schwingen des Bergholls in den Schnee gegraben wird. Auf einmal
bricht das Tier zusammen.
    Derek fährt auf, ist versucht,
dem Holl nachzulaufen, aber dann verharrt er und flüstert: “Nimm ihn zu dir,
Ealthea, befreie ihn und mich von dieser Qual...”
    Auf einmal ist ihm bewußt
geworden, daß der Holl ohnehin sterben muß. Ein Wesen der Lüfte kann auf dem
Boden nicht leben, es muß verhungern, wenn es ein Jäger und Räuber ist.
    “Oh, Ealthea! Nimm ihn ohne die
Folter des Hungers, er ist doch nicht böse, er ist nur ein Tier...”
    Aber der Holl stirbt noch nicht.
Seine kurzen Beine sind nicht geschaffen für die lange Wanderung, zu der er
aufgebrochen ist - deshalb sank er in den Schnee. Stöhnend richtet er sich
wieder auf und dreht sich um. Mit einer beinahe menschlichen Geste hebt er ein
wenig die zerschmetterten Flügel und schaut aus leuchtenden Augen auf Derek.
    Unwillkürlich folgt Derek ihm
einige Schritte, und beinahe will es ihm scheinen, als spielte ein
schmerzliches, aber auch befriedigtes Lächeln um die Lippen des Ungeheuers,
bevor es sich wieder umwendet und mühsam durch den hohen Schnee wankt. Benommen
schüttelt Derek den Kopf und bleibt stehen. Welch ein Unsinn, was laufe ich dem
Tier hinterher! Wenig später verhält auch der Holl und blickt sich wie prüfend
um, schleppt sich sogar einige Meter zurück, als er sieht, daß der Mensch ihm
nicht mehr folgt.
    Derek überläuft es siedendheiß,
nun versteht er endgültig: Das Tier fordert ihn auf, mit ihm zu gehen! Und als
er sich zögernd in Bewegung setzt, quält sich auch der Holl wieder seinem
rätselhaften Ziel entgegen.
    Noch mehrmals schaut der Bergholl
sich nach dem Menschen um. Einige Male stürzt er, und schon glaubt Derek, er
werde nun endgültig liegenbleiben, da rafft das Tier sich doch noch einmal auf
und kriecht bis an die Kante der zerklüfteten Felswand.
    Derek ist dem Bergholl in
sicherem Abstand gefolgt, anfangs die Leibsense kampfbereit in beiden Händen,
dann aber über der Schulter tragend, als das Tier zusehends an Kraft verlor.
    Jetzt tritt er einige Schritte
vom Holl entfernt an die Steilwand und schaut, dem brennenden Blick des Holls
folgend, in die Tiefe. Die Eldridssense hat er wieder von der Schulter
genommen, bereit, einen allerletzten Sprung des Untiers mit einem machtvollen
Stoß zu beantworten. Aber der Holl hat ihn nicht an den Rand der Schlucht
gelockt, um den Feind doch noch überrumpeln zu können. War Derek auf ein
verzweifeltes Aufbäumen des Tiers gefaßt, entringt sich ihm jetzt ein
erstaunter Schrei: Tief unter ihnen ist im schwachen Licht der Mondsichel das
Geäst eines aus der Felswand wachsenden, von Reif und Schnee überzogenen Baumes
zu erkennen. Und in dessen Krone der Horst des Bergholls...
    “Weshalb führst du mich hierher?”
fragt er betroffen.
    Der Holl dreht schwach den Kopf
und blickt Derek mit einem rätselhaften Ausdruck in den Augen an. Leid und
Hoffnung scheinen in diesem kurzen Blick zu glühen, dann schaut die Bestie
wieder hinab in die Tiefe, als wollte sie sagen: Geh und hol dir, warum du mit
mir gekämpft hast - es gehört dir.
    Plötzlich geht ein Ruck durch den
Leib des Bergholls. Mit einer Reflexbewegung stößt Derek die Leibsense vor,
aber der Stoß geht ins Leere.
    Es

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