Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
Vom Netzwerk:
war kein letzter
Angriffsversuch. Der Holl sprang in die Schlucht hinab, lautlos, und nicht
einmal der Aufprall ist auf dem Gipfel des Berges Attanai zu hören. Nur ein
leises Klingeln zittert durch die Wipfel der Eisfichten, steigt in die
funkelnde Schwärze der Nacht, und Derek läßt sich auf die Knie nieder, schaut
auf die honigfarbene Mondsichel.
    “Was bedeutet dies alles,
Ealthea?” fragt er mit zitternder Stimme. “Wie soll ich deine Zeichen deuten,
warum erfüllt mich Trauer, wo ich doch meinen Sieg jubelnd verkünden sollte?”
    Ein funkelnder Stern löst sich
aus dem Himmelsgewölbe und fällt hinab auf den Horizont. Derek schließt
verstört die Augen.
    Dort, wo der Stern niederfiel,
liegt das Reich Roriks...

 
    Lernen, ohne zu denken –     
    das ist nutzlos                                                                                                        
    Denken, ohne etwas gelernt zu
haben –
    das ist verderblich
    Konfuzius
(Lun-yu, II-15)

 
    ________________________________________________

 
    Kapitel 4
    Copyworld

 
    Tiefrot glüht der schmale
Sonnenbogen über dem Horizont, dessen Linie wie von felsigen Klippen zerrissen
scheint. Dann endlich verschlingt die dampfende Erde den Glutstreifen, die
langen Schatten zucken ein letztes Mal auf, strecken und winden sich, als
wollten sie sich aufbäumen gegen ihr Ende, und verblassen im Dämmerlicht des
erfrischenden Abends.
    Hyazinth schlendert gemächlich
durch den Steinpark, bleibt vor einer prächtigen Amethyststufe stehen,
bewundert einen mit Granatkristallen übersäten Felsbrocken, streicht behutsam
über das Rubinauge einer kleinen Tierplastik aus Jade. Dem feurigen Kristall
sind feine Rutilnadeln eingelagert, und dadurch wird der Eindruck erweckt, als
strahle ein winziges Sternchen tief im Innersten des Edelsteines.
    Hyazinth blickt nachdenklich auf
die Jadeskulptur. Die Schönheit dieses grünen Steines liegt in seiner
Oberfläche, der feinen Maserung und dem fettartigen Glanz. Die Rutilkristalle
dagegen wirken nur aus der Tiefe anderen Gesteins, in das sie eingeschlossen
sind. Wie feurige Funken oder blitzende Sternenpünktchen leuchten sie dann, mit
einer Kraft, die man ihnen nicht zutraut, wenn man ein Häuflein dieser kleinen
roten Körnchen oder Nadeln auf der Handfläche betrachtet.
    Mit einem kurzen Pfiff befiehlt
er Federchen zu sich. Die Fadenschaumspinne läßt etwas Atemgas aus ihrem
aufgeblähten Kropf und schwebt herab. Hyazinth befestigt die feine Platinkette
an ihrem Halsband und geht weiter, Federchen wie einen Luftballon hinter sich
her ziehend. Als er an einer prachtvoll geschliffenen Achatplatte mit
Beryllintarsien vorüberkommt, blickt er sich kurz um und spuckt wütend auf die
polierte Oberfläche des Brockens. Dann schnauft er befriedigt.
    Plötzlich spürt er ein leises
Krabbeln auf der Schulter: Federchen hat sich am Platindraht entlang gehangelt,
sich in seinem Genick festgekrallt und zirpt nun behaglich.
    Jeden Abend geht er mit ihr
hinaus. Seine fleißige Fadenschaumspinne braucht einmal am Tag frische Luft,
und für sie – eine ferne Nachfolgerin einst vom Jupiter eingeführter
Schwebspinnen – ist die irdische Atmosphäre beinahe wie die dichte Hülle des
Heimatplaneten ihrer Ahnen.
      Bisher ist das Rätsel nicht endgültig gelöst,
wie die Lebewesen des Riesenplaneten ihren Metabolismus so grundlegend
umstellen können, die Forschungen sind inzwischen eingestellt, denn   die irdische Wissenschaft kennt nur noch
einen Gegenstand näherer Betrachtung: das Projekt Copyworld. Alles ordnet sich
diesem großen Vorhaben unter. Zuerst wurde die Raumfahrt reduziert, schließlich
ganz eingestellt. Die Grenzen des Sonnensystems zu überschreiten, hat sich als
ein wenig nutzbringendes, aber ungeheuer aufwendiges Unternehmen erwiesen. Die
interplanetare Astronautik entwickelte sich nicht zu dem prognostizierten
wirtschaftlichen Faktor, da die Transportprobleme größer waren als der zu
erwartende Gewinn. Einzig die Beherrschung des erdnahen Raumes brachte Nutzen,
vor allem dadurch, daß der Mensch sehr bald von Automaten abgelöst wurde. Und
in den Millionen von Lichtjahren weiten Tiefen des Universums kreuzen nur noch
die fernen Nachfahren der Von-Neumann-Sonden...
    Allerdings weiß Hyazinth sehr
gut, daß ohne die hochentwickelte Raumfahrttechnologie das Projekt Copyworld
völlig undenkbar wäre:

Weitere Kostenlose Bücher