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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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wenn der Bogen
deines Verstandes sie gegen Roriks Brust fliegen läßt...”
    Und sie sprach von Curdins Arm
und Willen, denen das Alter die Kraft genommen hatte, die wunderbare
Eldridssense zu führen, und den Rorik mit einem Bauernknüttel erschlug, als die
Gier nach Seemarks Thron heißer durch seine Adern fuhr als das Blut der
sanftmütigen Egle, Ajas Enkelin und Mutter der königlichen Brüder. Ajas
Bannfluch trieb den Brudermörder weit hinter die Berge, aber Aja ist uralt,
ihre Kraft wird irgendwann versiegen und damit auch die Macht ihres
Bannzaubers.
      Derek reckt sich und schüttelt die Leibsense
der Eldrid, reißt sich mit der Linken die Springbüffelhaut von den Schultern,
daß sich das strahlende Gold des Gewandes Laux mit dem Schein seiner im Wind
flatternden Locken vereint.
    Sternengleich erhellt das
Leuchten des Curdinsteins die Nacht, als er die Rundkappe zu Boden wirft.
      “Hier bin ich, Attanaiholl! Komm und stirb!”
    Klirrend springt das Eis von den
Bäumen, als der Bergholl herbeifegt. Wie ein Kind mit gewaltigen, lederhäutigen
Flügeln könnte er dem Ahnungslosen erscheinen. Aber in den starren Augen glüht
grün das Feuer der Mordgier, und im Rachen funkeln blutrote Reißzähne, scharf
wie Sichelklingen.
    Derek weiß, daß der dichte,
schleimige Pelz das Ungeheuer besser schützt als siebenfach aufgeschlagenes
Dreihornleder, und daß die sensenscharfen Hornkanten an den Schwingen Zähne
tragen, gefährlicher noch als die im Maul der Bestie. Mit einem Flügelschlag
vermag der Holl einen Menschen zu enthaupten.
    Krachend schlägt die Schwinge
gegen die Leibsense Dereks. Ganz dicht ist das Gesicht des Holls für einen
Wimpernschlag, und in dem Grün glaubt Derek einen tiefen Schmerz leuchten zu
sehen wie er ihn in den Zügen des Untiers nie erwartet hätte. Sein Zögern aber
kostet ihn beinahe das Leben: Wie von selbst fährt die Elridssense in die Höhe,
als der zweite Flügel gegen seinen Hals zischt.
    Derek knirscht mit den Zähnen.
“Heimtückisches Biest!” Fester packt er den langen Schaft aus Schneebuchenholz,
den Eldrid einst im Schlot des Berges Attanai getrocknet und im Blut eines
Holls gehärtet hatte. Als funkelnder Blitz schießt die Regenbogenklinge durch
die Nacht, zersäbelt den Wind, zerfetzt das Dunkel. Der Holl weicht elegant aus
und schwingt sich über die Wipfel der Eisfichten hinaus.
    Nur zwischen den Augen ist er
tödlich zu treffen. Hundertmal hat Aja es ihm eingeschärft.
    Der Holl stößt einen grausigen
Schrei aus. Nicht Wut oder Mordlust klingt in diesem Heulen, sondern unendlich
leidvolle Klage. Auch das hatte Aja ihm anvertraut: Des Holls Herz schlägt im
Takt von Ealtheas Pendel, und so kann er in die Zukunft schauen. Hüte dich vor
ihm, wenn er seinen nahen Tod beweint!
    Triumph und Entsetzen ringen in
Dereks Brust. Der Holl hat das eigene Ende gesehen – aber bedeutet das auch den
Sieg des jungen Herrschers von Seemark? Oder wird ihn der Holl mit hinabreißen
in die Finsternis unter der Welt...
    Wenn er doch Urmutter Ealtheas
Pendel schauen könnte, nur einmal, nur diesen Augenblick!
    Hoch oben segelt der Holl über
das gestirnte Firmament und blickt unverwandt auf seinen Feind hinab. Sein
Klagen dringt Derek ins Herz, und er denkt einen Augenblick: Auch der Herr des
Attanai hat doch ein Recht auf sein Leben, wie eine jede Kreatur Ealtheas. Ist
es denn nicht Unrecht, dem Bergholl das Ei zu rauben?
    Nur kurz währt Dereks Zaudern.
Ein unbarmherziger Mörder ist der Bergholl, jede Nacht zieht er aus, um sich am
Blut gerissener Tiere zu laben, und wenn Ealthea ihren schwarzen Umhang über
den Mond wirft, dann fliegt er lautlos durch die Finsternis bis in die Dörfer,
zwängt sich durch Essen und Schornsteine, dort, wo der süße Geruch von
Muttermilch seine Nüstern kitzelt. In den Neumondnächten wachen Väter und
Brüder an den Wiegen, aber selten gelingt es, den Holl in die Flucht zu
schlagen, hat er das Neugeborene erst gewittert...
    Plötzlich faltet der Holl die
Schwingen und läßt sich – weit entfernt von Derek – zwischen die Wipfel der
Eisfichten fallen.
    Derek senkt die Leibsense. Was
hat die Bestie, gibt sie auf, bevor der Kampf richtig begonnen hat? Kein Holl
flieht, erst recht nicht, wenn er seine Sterbeklage angestimmt hat, denkt er,
aber warum läßt er ab von mir, hat er einen zweiten Gegner erspäht?
    Noch bevor Derek eine Antwort
findet, jagt das Untier heran. Dicht über dem Boden, mit den Flügelspitzen
Wolken aufstiebenden Schnees

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