Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
Vom Netzwerk:
eingeschaltet, und der Tanz wird zum Kampf jeder gegen jeden.
Rhomega läßt keine Chance aus, die verlorene Krone des Sigmakönigs zurück zu
erobern, er wird auch heute gegen Hyazinth antreten. Und wo Rhomega ist, da
findet man auch Tauphi.
    Für die Ouvertüre hat Hyazinth
sich etwas besonderes ausgedacht. Vor einigen Tagen geriet er zufällig in ein
Konzert. Zufällig, weil er Veranstaltungen, deren Mittelpunkt er nicht ist, für
gewöhnlich meidet. Zuerst empfand er die Musik als geradezu scheußlich. Auch
die Instrumente waren ihm völlig unbekannt. Da stocherte einer mit den Fingern
zwischen dissonant klingenden Metalldrähten, während ein anderer auf
irgendwelche Behälter eindrosch, die mit einer Membran verschlossen waren.
Rauhe, barbarische Klänge, ganz anders als das kristalline Perlen und Schwingen
der Steinmusik.
    Hätte er unter den Zuhörern nicht
Tauphi entdeckt, wäre er davon gelaufen vor dem nervtötenden Lärm. So aber
blieb er, drängte sich bis zu dem Mädchen durch und tat, als lauschte er
andächtig. Als er nach einigen endlosen Minuten Tauphi leise fragte, ob sie
abends wieder in den Sigmapalast kommen würde, zischte sie nur ärgerlich und
bedeutete ihm zu schweigen. Dann schloß sie die Augen, ihr Gesicht entspannte
sich wieder, sie lächelte sogar. Auch die anderen Zuhörer waren der seltsamen
Musik völlig hingegeben. Einige zuckten und bebten unter den verrückten
Klängen, Hyazinth sah sogar einen Mann, dem Tränen in den Augen standen.
    Die eigenartige Metrik war das
erste, was sein Inneres in sanfte Schwingungen versetzte. Noch während er
versuchte, den Motiven der fremdartigen Melodik zu folgen, drang der Rhythmus
in seine Glieder, ohne daß es ihm bewußt wurde. Ein bizarrer, scheinbar
regelloser Rhythmus, unsäglich fern jeder Quadratur der Bewegung - absolut
untanzbar, wie er sogleich feststellte. Das dumpfe Pochen des größeren
Behälters schien bald wie der Herzschlag dieser Musik die Töne voranzutreiben,
dann wieder grollte es wie Donner in die Blitzstrahlen irrsinniger
Klangkaskaden. Das helle Klopfen des kleineren Behälters drang nicht so tief,
aber es zog und zerrte an ihm, ließ ihm Schauer über die Haut rieseln.
Allmählich entdeckte er System in der irregulären Musik, und er stöhnte
verblüfft auf, als er die Konfiguration entschlüsselt hatte: Es war eine
Sequenz aus Dreiviertel-, Fünfviertel-, Siebenviertel- und schließlich zwei
vollen Viervierteltakten.
    Da auf einmal stürmte eine
Klangflut auf ihn ein, und tiefer Schmerz durchfuhr ihn, gräßlich und lustvoll
zugleich, daß er sich verwirrt fragte: Was ist das, zum Teufel?
    Das mit Metalldrähten bespannte
Instrument hatte aufgeschrien wie ein Mensch, nun wimmerte es leise vor sich
hin, seufzte klagend. Hyazinth spürte plötzlich, wie ihn Trauer befiel, ohne
daß er einen plausiblen Grund hätte nennen können.
    Das Instrument weinte.
Geschmeidig und flink glitten die Finger des Solisten über die Saiten. Er saß
im Schneidersitz auf dem Boden, den Kopf in den Nacken gelegt, und seine
Mundwinkel zuckten. Dem dicken Bauch des Intrumentes, der wie ein Kürbis
zwischen seinen Schenkeln lag, entströmten Töne von einer unheimlichen Macht,
und in Hyazinth stiegen Bilder auf wie Nebel aus der dampfenden Morgenerde.
    Das Konzert war beendet, die
Gäste erhoben sich und strebten dem Ausgang zu, da saß Hyazinth immer noch wie
versteinert und begriff nicht, was mit ihm geschehen war. Erst Tauphis Lachen
brachte ihn zur Besinnung.
    “Hast du das erste Mal eine Sitar
gehört?” fragte sie belustigt.
    “Sitar? So nennt man das also.
Was für eine seltsame Musik ist das nur? So viele Bilder, so viele Gedanken…”
    “Das ist fast wie Sigmatanz,
nicht wahr?”
    Hyazinth nickte nachdenklich.
Dann aber kam Rhomega, der weiter vorn gesessen hatte mit zwei Mädchen –
Deltamy und Psila – in den Armen herbei, und Tauphis Interesse galt nur noch
ihm. Dafür hatte Hyazinth sich jetzt der beiden anderen Schönen zu erwehren,
die sogleich von Rhomega abließen, als sie des neuen Tanzidols von Szingold
ansichtig wurden.
    Hyazinth aber nahm weder das
eine, noch das andere richtig wahr. Seine Gedanken kreisten unaufhörlich um
Tauphis letzte Frage. Das ist fast wie Sigmatanz, nicht wahr? Ohne sich um die
anderen weiter zu kümmern, drehte er sich um und ging hastig zu den Musikern.
Die hörten ihm schweigend zu und schüttelten entschieden die Köpfe. Schließlich
konnte Hyazinth sie überreden, noch einmal die

Weitere Kostenlose Bücher