Copyworld: Roman (German Edition)

hält
eines jener Rohre an die Augen, wie sie nur die Kristallschleifer der
Flügelburg herstellen können, und die auf wunderliche Weise alle fernen
Gegenstände in die Nähe rücken.
    “...ah, ja... die Masten sind
zusammengesetzt, nicht aus einem Stück... interessant, interessant... diese
Verlängerungen an den Querhölzern, gut ausgedacht... diese Thar sind kluge
Leute...”
    “Die Querhölzer heißen bei den
Seeleuten Rahen, und die Verlängerungen sind Spieren für die Leesegel.” In
Dammas Stimme klingt Stolz. Ein Lob aus dem Munde Elmrichs, in dessen
Flügelburg die bekanntesten Erfinder aller Zeiten leben, ist eine große Ehre.
    “Soso, Rahen und Spieren... was
sind Leesegel, Tochter der Thar?” Während Damma erklärt, mustert Derek
unauffällig den alten Fürsten. Elmrich hatte sich bisher sehr zurückgehalten,
die Gespräche schweigend verfolgt und jede Entscheidung seiner königlichen
Gefährten widerspruchslos akzeptiert. Dabei hätte er   allein dem Alter nach Anspruch darauf, daß
Derek und Damma das Knie vor ihm beugten. Aber im Gegenteil, statt eines
herrischen Gehabes zeichnet diesen weisen Mann eine vornehme Höflichkeit gegen
jeden im Vereinigten Heer aus: Als er bemerkte, wie Eirik mit
zusammengekniffenen Lidern und die Augen mit der Hand beschattend nach den
Tharschiffen spähte, reichte er ihm freundlich lächelnd das Wunderrohr mit den
geschliffenen Kristallscheiben. Damma hingegen hatte nicht einmal ein Wort für
den Schmied gehabt, als dieser für die Edlen einen Säbelzahneber gejagt hatte.
    Elmrich trägt einen schlichten
Brustharnisch aus schwarzem Eisen, auf den ein grauer Bart hinabwallt. Darüber
ein einfaches dunkelrotes Gewand, eigentlich nur eine Stoffbahn mit einem Loch
für den Kopf, die an den Seiten mit je zwei Spangen zusammengehalten wird. Auch
das Schwert an seinem schmucklosen Gürtel wirkt nicht sehr außergewöhnlich,
abgesehen von der im ersten Drittel leicht abgewinkelten Klinge und der Hebelkette
am Griffknauf. Diese Kette gebrauchen die Krieger aus dem Echsengebirge wie
eine Verlängerung des Griffstücks, wenn sie zum Hieb ausholen. Die
Schwertstreiche bekommen dadurch eine Wucht, als seien sie von Riesenhand
geführt. Der greise Fürst hat Derek vor einigen Tagen erklärt, diese
Kampftechnik sei aus dem Gebrauch der Kette als Parierhilfe entstanden, früher
habe sie nur dem Zweck gedient, gegnerische Schwerthiebe abzufangen und damit
die eigene Klinge zu schonen.
    Eiriks begehrliche Blicke waren
Derek Anlaß gewesen, den Herrn der Flügelburg geradeheraus zu fragen, weshalb
überall auf der Welt die Gespräche verstummen, wenn jemand den Namen des
Schwerts nennt: Nachtbringer. Elmrich war nicht erfreut über das Interesse, das
spürte Derek deutlich. Aber dennoch hängte der Alte die Lederscheide aus der
Gürtelkette und reichte Derek die Waffe.
    “Ihr müßt ihn an Euer Ohr halten,
Großherr Derek.”
    Derek lächelte verständnislos und
hob Nachtbringer an das rechte Ohr. Er zuckte die Achseln und wollte das Schwert
gerade wieder sinken lassen, da hörte er es. Ein feines, aber qualvolles
Wimmern. Wie von einer Frau, die den Tod ihres Kindes beklagt. Verblüfft packte
er den Griff, um Nachtbringer   aus der
Scheide zu ziehen, völlig vergessend, daß er damit gegen alle ritterliche Sitte
verstieß. Entsetzt brüllte Elmrich auf und sprang mit einem gewaltigen Satz
hinzu.
    “Nein!!! Nicht blankziehen!!”
    Aber er kam einen Wimpernschlag
zu spät. Derek hatte die Klinge noch nicht einmal eine Handbreit aus der
Lederhülle gezogen, da brach ein kaltes, blaues Licht aus dem winzigen Spalt,
das wie ein Nadelstich in sein Herz fuhr. Gleichzeitig kam ein bösartiges
Kreischen über ihn, Nachtbringer zitterte in seiner Hand wie im Fieber, und wie
von plötzlichem Leben erfüllt, drängte das Schwert machtvoll aus seinem
ledernen Gefängnis.
    Im letzten Augenblick entriß
Elmrich ihm die Waffe und zwang sie in die Scheide zurück. Derek war
fassungslos. Zwar hatte es nicht einmal eine Sekunde gedauert, aber er hatte
deutlich gespürt, wie eine eiskalte Klaue nach seinem Herz griff...
    “Verzeiht, Großherr Derek, ich
hätte es Euch unbedingt sagen müssen.” keuchte Elmrich. “Aber ich hatte nicht
damit gerechnet, daß Euer Ungestüm...” Er brach ab und machte eine unbestimmte
Geste. Derek senkte beschämt den Kopf. Selbst in dieser peinlichen Situation
blieb der Alte höflich und äußerte sich nicht weiter zu Dereks Verstoß gegen
den Regelkodex.
    “Dies