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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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jeglicher Furcht befreit, sich unmerklich aber stetig in Willen wandelt.
Hyazinth weint.
    “Laß das, du tust mir weh!”
Tauphi hat die Augen geöffnet und sieht ihn vorwurfsvoll an. Ihre Stimme klingt
etwas verwundert, aber auch unwillig.
    Fassungslos starrt er in ihr
Gesicht.
    “Du… du… ich dachte…” stammelt
Hyazinth.
    Als sie versucht, sich aus seinen
Armen zu befreien, läßt er sofort los.
    “Du lebst!” flüstert er und
zeigt, wie um sich zu entschuldigen, seine blutverschmierte Hand.
    “Mein Kopf tut weh”, klagt Tauphi
und betastet die Stelle hinterm Ohr. “Da muß mich ein Stein getroffen haben.
Ihr hättet auch früher schießen können!” Im Klang ihrer letzten Worte ist
wieder jene typische Gleichgültigkeit, mit der sie Hyazinth seit Monaten begegnet.
    Plötzlich kreischt sie auf. Ihr
Zeigefinger weist auf den abgerissenen Arm. Sie kreischt wie eine Verrückte,
schlingt die Arme um Hyazinths Hals und krallt sich in seiner Kombination fest.
Er drückt sie an sich und murmelt etwas sinnloses, um sie zu beruhigen.
    Tauphi hört nicht auf zu
kreischen.
    “Schwereschleudern: Ziel
auffassen!” Tremakuts Befehl fährt Hyazinth wie ein elektrischer Schlag durch
die Knochen. Er reißt sich von dem Mädchen los und stürzt zu seiner Waffe.
    Aus dem Norden braust eine
Staffel aus ungefähr fünfzehn Kampfspidern heran. Tauphis Kreischen weckt in
ihm unbändigen Haß auf den anstürmenden Feind. Es sind nur Kreatiden, hatte
Tremakut ihm gesagt, keine Menschen. Und trotzdem war es wohl der Anblick des
menschlichen Kopfes hinter der Kanzelverglasung, was ihn für Sekundenbruchteile
zögern ließ. Diesmal wird er schneller sein.
    Mit trockenem Fauchen verlassen
die Schwereladungen den Lauf. Ein dutzend Sandfontänen springen aus der   Wüste auf, verschwinden spurlos im Blitz der
verdampfenden Singularitäten.
    Die vier letzten Flugkörper
versuchen, in einer engen Kurve so dicht wie möglich über den Boden zu kommen,
aber auch sie werden von den Implosionen der kollabierenden Materie in den
Abgrund der Gravitation gerissen.
    “Sammeln!”
    Dunkle Gestalten erheben sich
schattengleich aus dem Wüstensand. Einige taumeln noch unsicher.
    “Schneller, verdammt nochmal!”
    Hyazinth lädt sich wieder den
Tornister auf den Rücken und geht zu Tauphi, die sich mit dem Gerät abmüht, das
sie zu transportieren hat. Sie schaut krampfhaft zur Seite, um nicht die
Überreste des zerfetzten Leichnams sehen zu müssen und zerrt schluchzend an den
Tragegurten.
    “Komm, ich helfe dir.”
    Sie streckt die Arme steif nach
hinten und läßt sich die Riemen überstreifen ohne den Kopf auch nur einen
Millimeter zu wenden. Schließlich keucht sie: “Macht dir das denn gar nichts
aus, daß es einen von uns zerrissen hat als sei er aus Papier…?”
    Hyazinth ergeht es ganz anders
als ihr. Obgleich er nahe dabei ist, sich erneut zu übergeben, muß er immerzu
hinschauen.
    Der Ärmel ist bis über den
Ellenbogen aufgeschlitzt, so daß der blutige Stumpf des Oberarms völlig frei
liegt. Die Kugel des Schultergelenks ragt weiß aus dem zerfetzen Fleisch, helle
Sehnenstränge ringeln sich im Sand. Hyazinth hat wieder dieses nervtötende hohe
Klingen im Schädel. So sieht er also aus, der Tod. Lebloses Fleisch, leblose
Knochen, Sehnen, Bänder. Das da gehörte mal zu einem Menschen, der eben noch
redete, lachte, nachdachte, liebte und haßte. Wie darf es sein, daß menschlicher
Geist - die großartigste Schöpfung der Natur – an die trivialen Bedingungen
materieller Existenz gebunden ist? Ist es nicht legitim, dieser grausamen
Fesselung entrinnen zu wollen, ist Copyworld   denn nicht wirklich die einzig menschwürdige Perspektive?
    Er stapft neben Tauphi her,
stützt mit einer Hand den Behälter auf ihrem Rücken. Sie läßt es ohne ein Wort
des Dankes oder der Ablehnung geschehen.
    Die Kämpfer der
Antisteinistischen Revisionsfront umringen Tremakut in einer dichten Traube.
    “Verluste?”
    Sein Stellvertreter Alpsilon, ein
junger Blondschopf mit einem derben, etwas hervorstehenden Unterkiefer,
antwortet leise: “Zwei Tote, fünf Verletzte, davon einer schwer… wir müssen ihn
zurücklassen…”
    Tremakut runzelt die Stirn und
befiehlt rauh: “Wickelt ihn in Folie und laßt einen Feldgenerator bei ihm, wir
nehmen ihn auf dem Rückweg mit. Alle anderen öffnen das Ultragiepack und
schlucken Komponente Alpha. Die Verletzten erst, wenn ihre Wunden versorgt
sind.”
    Hyazinths Beule gilt nicht als
Verletzung und

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