Copyworld: Roman (German Edition)
insgesamt acht Schwereschleudern ihre Fokusfelder auf den
Flugkörper richten. Und wenn nur einer trifft, reicht das völlig aus.
Aber diese Gewißheit kann nicht
die kreischende Säge zum Schweigen bringen, die sich durch seine Nervenbahnen
frißt.
Im Blickfeld der
Visiereinrichtung erscheint der Nachthimmel strahlend hell, und Hyazinth
erkennt hinter der Kanzelverglasung des Kampfspiders einen behelmten Kopf. Dann
sieht er, wie die von Spiralen ummantelten Röhren in seine Richtung schwenken.
Alles geht blitzschnell, aber trotzdem hat er das Gefühl, die Zeit dehne sich
plötzlich unendlich in die Länge. Er sieht genau die Bewegungen des Helmes in
der Kanzel, glaubt fast zu verstehen, wie der pseudoorganische Pilot mit einem
schnellen Blick über die Displays seiner Waffensysteme huscht. Kurz bevor aus
den Rohrmündungen der Spiderbewaffnung gleißende Helligkeit bricht, drückt
Hyazinth auf den Auslöser seiner Schwereschleuder.
Zwei winzige Materiepartikeln
jagen innerhalb des Fokusfeldes auf das Ziel zu. Beide besitzen nur eine Masse
von wenigen Gramm, ihre räumlichen Ausdehnungen aber sind geringer als die
eines Atomkerns, ihre Dichte ist fast so unvorstellbar hoch wie die der
kosmischen Materie in der Singularität. Unmittelbar vor Erreichen des Ziels
prallen diese beiden superdichten Teilchen aufeinander und verschmelzen dank
ihrer überkritischen Masse zu einem Primordialen Schwarzen Loch von
submikroskopischen Ausmaßen, dessen Lebensdauer nur in Millisekunden gemessen
werden kann, weil es sogleich unter Freisetzung eines Stroms von
Elementarteilchen aus dem virtuellen Phasenraum verdampft.
Der Effekt ist verheerend. Der
Kampfspider explodiert nicht in einem Feuerball, er verschwindet einfach. Sein
Fall in die Singularität ist eher wie eine Implosion: Ein Strudel aus Sand und
Staub erhebt sich und stürzt ins Nichts, dann zucken die aus der Virtualität
geschleuderten Elementarteilchen als greller Blitz durch die Nacht, von
schmetterndem Donner begleitet. Wie eine weißliche Blase dehnt sich der Raum
und zerplatzt erneut zu nichts.
Dem Piloten des Flugkörpers war
es jedoch noch gelungen, zwei Plasmaladungen abzufeuern, die als lohende
Feuerstrahlen auf die Gruppe hinunter rasten.
Die Druckwelle trifft Hyazinth
mit voller Wucht in den Rücken, er wird wie von einer Meereswoge empor gehoben
und nach vorn geschleudert. Er prallt auf den Boden und spürt einen furchtbaren
Hieb auf den Hinterkopf. Obgleich er vor Schmerz die Augen schließt, sieht er
farbige Lichter flackern und durcheinanderwirbeln.
Stöhnend erhebt er sich. Einige
dutzend Meter hinter dem Ende der Marschkolonne glühen dunkelrot zwei Trichter
aus glasiger Schmelze im Wüstenboden.
Hyazinth streift die
Tornisterriemen von den Schultern und stolpert zu Tauphi, die verkrümmt im Sand
liegt. Wenige Schritte neben ihr erkennt er einen abgerissenen Arm. Die Hand
umklammert immer noch ein Lasergewehr. Etwas weiter sieht er den Rumpf eines
Menschen. der Bauch ist aufgerissen, und etwas grünliches quillt in fettigen
Schlingen langsam hervor. Ein seltsamer Geruch liegt in der Luft: warm,
säuerlich und ein wenig nach Fäkalien. Hyazinth fällt auf die Knie, und ihm
ist, als zerre ihm eine grobe Faust den Magen heraus, als er sich übergibt. Mit
letzter Kraft kriecht er zu Tauphi. Die Wunde am Hinterkopf, wo ihn der
Tornister mit der Energiequelle traf, brennt höllisch, aber er empfindet den
Schmerz, als sei er etwas Gewohntes, Selbstverständliches.
Das war es also, denkt er. Das
war dein kurzes Leben. gleich wird eine ganze Armada von Kampfspidern über uns
herfallen, und dann wird uns auch unsere überlegene Bewaffnung nicht helfen.
Ich bin ein Idiot! Wieso habe ich mich auf diesen Wahnsinn eingelassen? Zu
spät. Jetzt ist alles aus. Wenigstens Tauphi noch einmal sehen, ihr kindliches
Gesicht mit der fast durchsichtigen Haut, wenigstens einmal ihre Wangen
streicheln.
Er beugt sich über sie und dreht
sie, ächzend vor Schmerz, auf den Rücken. Ihr Mund ist halb geöffnet.
Hyazinth treten Tränen in die
Augen.
“Tauphi!” Er schüttelt sie sacht,
dabei wackelt ihr Kopf hin und her als hinge er nur noch an einem dünnen Faden.
Erschreckt tastet Hyazinth nach ihren Halswirbeln. Dicht hinter ihrem linken
Ohr fühlt er eine angeschwollene feuchte Stelle. Er nimmt ihren Kopf in beide
Arme und preßt ihn gegen seine Brust.
“Tauphi!” Das erste Mal in seinem
Leben spürt er eine Art Leere in sich, die den Gedanken an den eigenen Tod
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