Copyworld: Roman (German Edition)
Schädel zu fetzen, ohne die Kopfhaut auch nur zu ritzen.
Aber sie wollen in den Palast...
“Bei uns schlägt man sich nicht
mit seinen Gästen wie es Bauerntölpel tun”, antwortet er ausweichend.
“Sein Mut reicht wohl nur zum
Läuseknacken – wie macht man das mit diesem Küchenmesser?” höhnt der Thar
grinsend. Ärger schwillt in Dereks Kopf. Warum eigentlich nicht? denkt er. Warum erteile ich dem hochmütigen
Rotauge keine Lektion?
Da aber fährt eine helle Stimme
in seine Gedanken: “Du wirst dich doch nicht mit einem Knecht prügeln,
Andorgas! Bezähme dich!”
Der junge Begleiter hat sich im
Sattel aufgerichtet und hebt das Kinn, bis er in einer Haltung unnachahmlicher
Würde erstarrt. Seine roten Augen blitzen zornig.
Andorgas duckt sich unmerklich
und verzieht das Gesicht. “Ein wenig nur, Hoheit, ich tue ihm ja nichts
zuleide”, bittet er demütig.
Dereks Kopf schnellt herum. Ein
junger Fürst der Thar! Vergeblich sucht er das Gesicht des jungen Edlen zu
erkennen. Der blickt an ihm vorbei, dann sagt er verächtlich: “Dann mach,
wenn es dich gelüstet. Ich werde mich unterdessen stärken und ein wenig ruhen.”
“Also komm’ er, Held von Seemark.
Er ist doch hoffentlich ein gelehriger Mensch, so daß ich meine Kunst nicht
sinnlos vergeude?” ruft Andorgas und springt aus dem Sattel.
Mit einem kurzen Pfiff befiehlt
der junge Fürst das Reittier zu sich, und die beiden katzenartigen Wesen legen
sich dicht aneinandergedrängt in den Schnee. Der junge Edle öffnet einen
Beutel, entnimmt ihm irgend etwas Eßbares und streckt sich dann der Länge nach
auf den Leibern der Tiere aus.
Unterdessen hat Andorgas sich den
Umhang von den Schultern gerissen und auf dem Boden ausgebreitet.
“Kennt er unsere Art zu kämpfen?”
fragt er lauernd.
Derek verneint.
“Das hier ist die Arena”, erkärt
der Thar grinsend, “wer sie verläßt, ist der Verlierer.” Er deutet auf den
Umhang.
“Mich verlangt es nicht nach
seinem Blut”, fährt er fort, “er aber tue, wie ihm beliebt, während ich ihm nur
dieses Schnitzmesserchen aus der Hand schlagen werde.”
Dann legt er die Halsabschneider
ab.
“Weshalb legst du sie beiseite?”
fragt Derek verwundert.
“Die sind zum Töten, nicht zum
Spielen”, entgegnet Andorgas kurz.
Als er sich wieder aufrichtet,
hört Derek ein sirrendes Geräusch in seinem Rücken; noch bevor er sich umdrehen
kann, zischt ein Schatten über ihn hinweg, die Hand des rotäugigen Thar fährt
durch die Luft, und Derek hört ein heftiges Klatschen. Dann sieht er die Eisenkugel
in der Faust des Mannes und hört ein hohes Zirpen über sich. Erstaunt hebt er
den Kopf. Aber es ist kein Holl – über ihm schwingt eine dünne Stahlsaite im
Wind, und er hört den jungen Edlen rufen: “Hervorragend, Andorgas! Das Alter
kann dein Auge nicht trüben, du bist immer noch schneller als ich.”
Derek steht verwirrt zwischen den
beiden, über den Stacheln seiner Rundkappe zittert und schwingt der straff
gespannte Draht. Erst wollte er zornig auffahren, aber sogleich wurde ihm klar,
daß der Scheinangriff nicht ihm galt. Nein, für den jungen Tharfürsten ist er
als vermeintlicher Knecht nicht die Beachtung wert..
Andorgas schleudert den
Halsabschneider lachend zurück, dann betritt er einen Zipfel des ausgebreiteten
Umhang.
“Auf denn, Recke von Seemark!
Packe er seine Stopfnadel und dann feste dreingehauen und -gestochen!”
Allmählich ist Derek bewußt
geworden, daß man diesen Andorgas nicht unterschätzen darf, dessen großes Maul
seinem Arm an Flinkheit zwar nicht nachsteht, ihm aber ebenso gewiß nicht vorauseilt.
Dachte er erst, der junger Fürst
wolle Andorgas maßregeln, als er dessen Worte mit einer spielerischen
Scheinattacke beantwortete, begriff er gleich darauf, daß es kein Spiel war.
Die Haltung des rotbärtigen Thar
war so angespannt und energiegeladen, daß er es in dieser kurzen Sekunde wohl
ohne lange Vorbereitungen mit einem Dutzend Gegner aufgenommen hätte. Und genau
das scheint auch der tiefe Sinn dieser überraschenden Prüfung zu sein:
immerwährende Kampfbereitschaft. Ein Spiel war es sicherlich nicht, eher wohl
ein Ritual, das zum Alltag der Thar gehört.
Derek hebt den Schild aus
siebenfach aufgeschlagenem Dreihornleder und stellt sich Andorgas gegenüber
auf.
“Laß’ mich deine Kunst schauen,
Krieger von Tsalla.” sagt er gelassen, im Innersten aber ist er gespannt wie
eine Bogensehne. Der Thar kreuzt die Arme vor dem Leib und greift mit
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