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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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des Mannes lassen
die nötige Kraft ahnen, die solch ein Kleid erfordert. Vor allem die bis über
die Knie reichenden weichen Stiefel fesseln Dereks Blick. Deren Spitzen sind
scharf wie Dolche und scheinen aus Eisen geschmiedet. Ebensolche Stacheln trägt
der Krieger an den Ellenbogen – und da ahnt Derek dunkel, woher die beiden
kommen.
    Oft hat Curdin von dem
kriegerischen Volk der Thar gesprochen, das hoch droben im Norden auf der Insel
Tsalla lebt, in gewaltigen Burgen und Festen, denn immer wieder überfielen
fremde Völker die rotäugigen Thar, angelockt vom Turm der Steine, diesem
unentwegt in den Himmel wachsenden Glasfelsen, von dem es feurige Rubine
regnet, wenn sanft der Wind über das Land streicht.
    Nun sieht Derek auch das rote
Funkeln zwischen den zusammengekniffenen Lidern des Thar.
    “Gaffe nicht, Bursche! Weise er
uns den Weg!” fordert der Thar gebieterisch.
    Derek lächelt still in sich
hinein und reagiert nicht auf den unfreundlichen Befehl. Stattdessen betrachtet
er die Bewaffnung des Rotäugigen. Am Gürtel baumeln sieben kleine Eisenkugeln –
auch davon hat Curdin erzählt: Diese Waffe beherrschen nur die Krieger von
Tsalla. Nicht die Kugeln sind die Gefahr, obwohl auch sie – kräftig
geschleudert – den Gegner zu Boden werfen. Es sind die feinen Saiten aus
Eisendraht, deren Herstellung eines der streng gehüteten Geheimnisse der Thar
ist. Die Saiten sind schärfer als die Klinge einer Leibsense, und wenn die
Krieger von Tsalla die Eisenkugeln schwirren lassen, ist jeder Gegner verloren,
der einer Berührung mit dem feinen Draht nicht rechtzeitig auszuweichen vermag.
Ein kurzer Ruck genügt, um einen Menschen mittendurch zu schneiden...
    “Ach so, meine Halsabschneider
haben es ihm angetan”, knurrt der Mann etwas friedlicher und wohl auch ein
wenig geschmeichelt. “Er ist sicher ein Knecht des Herrschers von Seemark, ja?”
    Derek lächelt weiterhin
freundlich und betrachtet den Thar ungeniert, ohne ein Wort der Entgegnung. Da
hängt noch etwas von seiner Hüfte herab, was wie ein gewaltiger eiserner Fächer
aussieht. Aber besonders fasziniert Derek das mächtige Hackschwert des
Kriegers. Die ungeschützt getragene Klinge verbreitert sich zum Ende hin, und
wo bei der Leibsense die scharfe Spitze ist, glänzt hier eine sichelförmige
Schneide. Nur ein kräftiger Arm vermag dieses Schwert zu führen. Curdin hatte
oft von den Waffenmeistern der Thar erzählt, die einen gigantischen Wall mit
tausenden Schleuderwerken entlang der Küste ihres Inselreiches errichtet
hatten. Von den geheimnisvollen mechanischen Flugwerken, mit denen zwei Dutzend
Krieger auf einmal durch die Lüfte segeln könnten, hatte Curdin mit geradezu
abergläubischer Scheu gesprochen und davon, daß die Thar fast alle ihre
Leistungen ganz ohne jede Zauberei vollbringen. Nur das legendäre Schwert Thar
und das Buch des Todes besäßen Zauberkraft...
    “Er muß wissen, daß ich
geschwätzige Menschen nicht mag”, der Thar grinst breit, dann aber verfinstert
sich sein Gesicht, “aber vielleicht ist er auch stumm – dann weise er uns mit
der Hand die Richtung!”
    Sein Begleiter treibt das
Reittier mit einem kurzen Schnalzen zwei Schritte voran, und nun kann Derek ein
bartloses, aber von einem eisernen Visier halb verdecktes Gesicht erkennen. Die
Ausrüstung des zweifellos jüngeren Mannes gleicht der des Wortführers, nur
anstelle des Hackschwertes trägt er eine kurze, dornenbesetzte Keule.
    “Gruß Euch, Krieger von Tsalla”,
sagt Derek ruhig. “Wer gegürtet und gewappnet in unser Land kommt als zöge er
in den Krieg, den sollte nicht verwundern, daß erst die Augen fragen, bevor der
Mund antwortet.”
    Der Thar lacht rauh auf. “Ein
Mann trennt sich nie von seinen Waffen, ob in Zeiten des Krieges oder im Jubel
des Kampfes.” Dann blickt er abfällig auf Dereks Leibsense und fährt fort: “In
seinem Land gibt es wohl keine Männer, oder habt ihr nichts als diese
Zahnstocher?”
    Derek verdrängt den Unwillen und
antwortet stolz:“ Von der richtigen Hand geführt, bringt die Leibsense ebenso
schnell den Tod wie dein Hackschwert, Fremder!”
    Die roten Augen des Thar leuchten
auf. “Das wäre einen Versuch wert!” erwidert er schnell. Derek zögert. Er
fürchtet den Thar nicht und kennt auch deren Gepflogenheit, überall und mit
jedem die Klinge zu kreuzen. Meist enden diese Kämpfe ohne Blutvergießen, denn
die Thar sind Meister des Waffenhandwerks und vermögen einem Mann mit einem
Hieb die Haare vom

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