Copyworld: Roman (German Edition)
Und froh, einen Gleichgesinnten gefunden zu haben, vertraute er
Derek beim Wein schließlich an: “Verstehen kann ich Euch, lieber Derek, oh ja!
Die grauen Haare unter meiner Krone danke ich nicht den Schrecken des Krieges und
nicht dem Elend von Seuchen, Hungersnöten oder Feuersbrünsten. Diese zwölf
kleinen Ungeheuer sind die Ursache. Verzeiht mir, daß ich hoffte, wenigstens
eine dieser Bestien in Frauengestalt an Euch loszuwerden...”
Später plante Curdin, seinen Sohn
nach Bunduruk auf Brautschau zu schicken. Seine Ratgeber meinten, im Reich der
Ganzweiber müsse doch ein Prinzeßlein
für Derek zu finden sein. Derek war nicht abgeneigt, denn das wenige, was man
in Seemark über die Bundurukas wußte, hatte ihn neugierig gemacht. Die
Ganzweiber sollten schreckliche Krieger sein, und daß Männer in ihrem Reich nur
als Sklaven leben durften, ängstigte Derek damals nicht. Er würde sich sein
Prinzeßlein notfalls schon erziehen. Aber in Wahrheit wollte er nicht wegen
irgendeines blassen Fürstentöchterleins die lange Reise wagen, sondern wegen
der geheimnisvollen Kampfeskünste der Ganzweiber. Reisende Händler hatten
erzählt, die Ganzweiber würden dabei wie Kreisel unentwegt um die eigene Achse
wirbeln und mit Leichtigkeit drei, vier oder gar fünf Gegner auf einmal mit
einem einzigen Hieb ihrer Sichelschwerter in zwei Hälften schlagen. Aber Rorik
hatte vor dem Besuch Burunduks gewarnt, und Curdin beherzigte die Warnung
seines Bruders. Dereks Enttäuschung aber verlor sich bald in der milchigen
Zartheit zwischen Andels Schenkeln...
Die Hänge des Berges Attanai
bleiben hinter Derek zurück, glitzernd liegt die weiße Hochebene vor ihm, die
sich bis zu den ruhigen Fjorden seiner Heimat dehnt.
Das dunkel glühende Sonnenrad
quillt aus dem fernen Horizont, und zarte Röte steigt auf in den glasklaren
Himmel.
Derek zieht die lederne Maske aus
der Rundkappe und bedeckt mit ihr das Gesicht. Die schmalen Sehschlitze dämpfen
das grelle Schneiden, mit dem das Licht den erwachenden Tag zu füllen beginnt.
Gadar jagt mit weiten Sprüngen
über die verschneite Ebene, einen Schweif aus feinstem Pulverschnee hinter sich
aufwirbelnd, der wie ein Brautschleier im Wind flattert. Wehmütig erinnert sich
Derek an die Tage, da er selbst ein Dreihorn war und mit Gadar über die Ebenen
und durch die Täler und Fjorde seines Reiches preschte, in wildestem Galopp und
mit einer Freude im Herzen, wie er sie nie zuvor erlebt hatte und auch danach
nie wieder.
Auf einmal wiehert sein Reittier
warnend und fällt in einen verhaltenen Trab. Nun sieht es auch Derek: Zwei
dunkle Punkte bewegen sich weit vor ihnen, müssen unweigerlich ihren Weg
kreuzen. Derek zieht die Leibsense aus dem Sattelhalfter und richtet sich in
den Steigbügeln auf, um besser sehen zu können. Aufmerksam sucht er den Horizont
ab. Es wäre nicht das erste Mal, daß Roriks Horden sich so weit ins Land wagen
– aber weit und breit ist nichts weiter zu sehen, was Verdacht erregen könnte.
Die Landschaft liegt still und friedlich unter einem dicken Pelz aus meterhohem
Schnee, und die beiden Reiter dort vorn erwecken nicht den Anschein,
Späherdienste für Rorik zu leisten, dazu bewegen sie sich zu unbekümmert.
Allen Argwohn beiseite schiebend,
treibt Derek das Dreihorn mit einem kurzen Ruf an und hält auf die beiden
Reiter zu.
Bereits von weitem erkennt er,
daß es Fremde sind. Ihre Kleidung deutet auf edle Herkunft, aber zuerst
bestaunt Derek die seltsamen Reittiere.
Fast ähneln sie Katzen, aber sie
sind nur wenig kleiner als Gadar, haben hohe, schlanke Beine und zwei kurze
Hörner über den Augen. Die blauen Augen strahlen Sanftmut aus, aber aus dem
Unterkiefer ragen zwei spitze Reißzähne. Unter dem kurzen, seidigen Fell,
dessen Farbe vom Bauch aus von flammenden Rot in ein mattes Gelb auf dem Rücken
übergeht, spielen geschmeidige Muskeln, und als Ersatz für den fehlenden
Schwanz entdeckt Derek eine rauchfarbene Bürstenmähne, die von den Ohren bis
zum Hinterteil wächst. Elegant setzen die Tiere die Pfoten in den aufstiebenden
Schnee.
“He, weise er uns den Weg zum
Palast, Bursche!” ruft einer der Reiter und zügelt sein Tier energisch. Das
Gesicht des Manne ist von einem rotflockigen Bartgespinst überwuchert, in dem
dicker Rauhreif glitzert. Der Spitzhelm ist mit funkelnden Steinen verziert,
und das Nackenleder schmiegt sich an den Seiten eng an seinen Hals. Der Panzer
aus Bronzeplatten muß sehr schwer sein, aber die Schultern
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