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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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wie ein junger Bock den Thron herab zu
springen, so wäre diese Peinlichkeit erspart geblieben.
    “Die Prüfung habe ich wohl nicht
bestanden, verzeiht mir”, sagt er leise und beugt artig das Knie.
    Damma schüttelt den Kopf. “Ein
Geschenk war es, keine Prüfung”, antwortet sie beherrscht. Dann wendet sie sich
rasch ab, und Derek fühlt sich seltsam klein, als ihm bewußt wird, daß sein
Knie immer noch den Boden drückt. Und fast schon ist es kurios, als Andorgas zu
ihm tritt, ihm aufzuhelfen.
    “Nehmt meine Hand, Großherr
Derek! Wer einen Becher guten Weins mit mir leerte, soll sich nicht die Knie
wundscheuern auf dem Boden, dessen Herrscher er ist…” Die roten Augen des Thar
funkeln, und der Druck seiner Hand ist kräftig. So war Curdin manchmal!   durchfährt es Derek. So stark und souverän
und gütig. Wenn er doch immer so gewesen wäre…
    Gunders Krächzen bereinigt die
Situation.
    “Die Tafel ist gerichtet”, teilt
er überflüssigerweise mit, und sein Gesicht trägt wieder einen recht dümmlichen
Ausdruck.
    Derek muß gegen seinen Willen
kichern, und selbst der erstaunte Blick Dammas kann es nicht verhindern.
    “Schau nach dem Spießbraten,
Gunder!” befiehlt er glucksend, und als schließlich auch Andorgas lacht, läßt
sich Damma zu einem kühlen Lächeln herab.
    “Euer Hofalkalde hatte heute
einen schweren Tag, Großherr”, sagt Andorgas grinsend. “Ein Mann der Ordnung
muß verzweifeln, wenn der Krieg in sein Leben fährt wie ein Orkan, mit barschem
Ton und wenig Sitte…”
    “Krieg?” ruft Derek überrascht
aus. Also doch. Eirik hat es geahnt! Sie kommen nicht in friedlicher Absicht.
“Wo die Thar reiten, folgen Krieg und Tod den Spuren der Männer – so sagt man
hierzulande doch?” Dammas Stimme hat einen spröden Klang.
    “Wir haben den Feuertiger
gezähmt, ihn auf Menschenfleisch abgerichtet, zum Blutsäufer erzogen”, fährt
sie hart fort, “ und es kommt immer wieder vor, daß unsere Kampftiere ihre
eigenen Herren anfallen, wenn die Pausen zwischen den Schlachten zu lang sind…”
Derek schüttelt sich unwillkürlich, als er sich das Bild der blauäugigen
Großkatzen mit den kurzen Hörnern und den aus dem Oberkiefer ragenden
Reißzähnen vergegenwärtigt. Feuertiger heißen die Bestien also, wohl wegen der
Färbung des seidigen Fells, dessen von Gelb zu flammenden Rot wechselndes Haar
in eine rauchfarbenen Mähne übergeht.
    “…wir seien wie Feuertiger, die
wir zu furchtbaren Kampfmaschinen formten, heißt es überall: Blutrünstig,
gewalttätig, grausam. Ja, es ist wahr: Wir nageln die Gefangenen auf die
Wurzeln der Wandereiche und schießen Brandpfeile in die Krone des Baumes. Es
ist keine Lüge, daß die Männer bei lebendigem Leibe zerrissen werden, wenn die
fliehenden Bäume ihre Wurzeln aus dem Erdreich ziehen. Es ist ebensowenig
erlogen, daß wir gefangene Feinde auf unsere Schleuderwerke spannen und in die
Lager der Angreifer schießen. Wir kennen hundert Arten, den Feind zu töten, und
im Kampf töten wir so, daß der Gegner unter höllischen Qualen aus dem Leben
geht… Sie fürchten uns, sie stinken wie Leichen, wenn sie gegen uns ziehen,
weil die Angst ihnen die Kleider mit Kot füllt … und trotzdem können sie der
Verlockung nicht widerstehen, überrennen einander und stechen sich gegenseitig
ab, um nur zuerst am Fuße des Turms der Steine anzulangen…”
    Immer kälter ist ihre Stimme
geworden, klirrt geradezu wie eisiger Frost.
    “Der Krieg sollte Männersache
bleiben, Prinzessin!” sagt Derek schaudernd
    “Ha! Ihr redet nicht klüger als
diese Dummköpfe, die sich Ratgeber meines Vaters nennen!” begehrt sie auf und
schneidet Andorgas, der sich besänftigend einmengen will, mit einer herrischen
Geste das Wort ab. “Was wißt Ihr schon vom Krieg, Großherr Derek! Für Euch
kommt er mit den staubigen Sommerstürmen und weht mit ihnen wieder davon. Uns
aber ist er ständiger Gast im Haus, er ist die Luft, die wir atmen, unser
Traum, wenn wir schlafen. Wir essen und trinken ihn, wir sind mit ihm
verwachsen – eine scheußliche Mißgeburt mit Menschenhaupt und dem Schädel eines
tierischen Ungeheuers zwischen den Schultern. Er kriecht mit jedem Neugeborenem
aus dem Mutterleib und röchelt gierig über den Köpfen der Halbwüchsigen, speit
gurgelnd das Blut unseres Volkes in die Massengräber und schwelgt trunken in
dem Gestank verwesender Leiber – und da soll ich dabeistehen, gar die Wunden
unserer Krieger heilen mit zarter Frauenhand?

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