Copyworld: Roman (German Edition)
schaukelt mit dem Oberkörper wie ein gefangener Eisbär.
Er ist immer noch in voller Rüstung und hat selbst den Spitzhelm nicht
abgelegt.
Mit dem Rücken zu Derek sitzt der
junge Fürst vor einem großen Bronzekessel, auf dem eine runde Holzplatte, etwa
so groß wie Dereks Schild aus Dreihornleder, liegt. Metallplättchen
unterschiedlichster Größe sind zu Dutzenden in konzentrischen Ringen auf dieser
Platte angebracht, ein jedes mit einem Stift fingerbreit über dem Holz. Der
junge Thar hat die Hände erhoben und ist in dieser Haltung – wohl erschreckt
durch Dereks wütenden Schrei – für einen Augenblick erstarrt.
Derek erkennt auf jedem Finger
der schmalen Hände eine in einen zierlichen Schlegel auslaufende Hülse, die
etwa noch einmal so lang wie der jeweilige Finger ist.
Langsam dreht sich der junge Thar
um und funkelt Derek böse an.
“Was stört er mich beim Spiel,
Knecht! Hat Großherr Derek ihn noch nicht die Peitsche schmecken lassen, seine
Keßheit künftighin zu zügeln?”
Gunder krächzt entsetzt irgend
etwas Unartikuliertes und gibt hastig verworrene Zeichen. Aber weder der junge
Thar noch Derek beachten ihn.
Verblüfft starrt Derek in das
Gesicht des vermeintlichen Jünglings. Das rostrote Haar rahmt es wie ein
pelziges Geflecht, dickem Moos ähnlicher als weichen Mädchenlocken. Die weit über
die Schläfen geschwungenen Augenbrauen sind über der kleinen Nase drohend
zusammengezogen. Um die vollen Lippen spielt ein verächtlicher Zug, der dem
Ausdruck des Gesichts, gemeinsam mit dem leicht vorgereckten Kinn und den
funkelnden roten Augen hochmütige Würde verleiht.
Wären nicht die blutroten Augen –
Derek würde die Edelfrau eine Schönheit nennen.
“Was müßt Ihr immerzu unseren
jungen Helden tyrannisieren, Hoheit, Euer Bruder Damias hätte mit ihm längst
einen Becher geleert…”, brummt Andorgas beschwichtigend und nickt Derek
grinsend zu.
Mit einem Ruck wirft Derek den
Umhang von den Schultern und reißt sich die Rundkappe vom Kopf. Goldfarbenes
Leuchten schickt das Gewand Laux in die Düsternis des Thronsaales, aber das
warme Flimmern der tausend Goldzobelfelle wird noch gewaltig überstrahlt vom
funkelnden Feuerschein des Curdinsteins auf Dereks Stirn.
Andorgas begreift sofort, er
schnellt empor, wankt zwei, drei Schritte auf Derek zu und beugt erschreckt das
Knie.
“Bei allen Göttern, die Menschen
jemals ersannen! Verzeiht, Großherr Derek von Seemark! Vergebt einem alten,
schwachsinnigen Raufbold sein ewig junges Mundwerk, das dem greisen Verstand in
wildem Galopp vorausspringt…”
Derek kämpft den ungestümen Drang
nieder, diesen Andorgas beim Arm zu packen, emporzuziehen und herzlich zu
umarmen. Mit Mühe wahrt er seine hoheitsvolle Haltung, wohl wissend, daß selbst
Andorgas darauf bestehen würde, seinem Respekt Ausdruck verleihen zu dürfen,
und sich gut bewußt, daß dieser kurze Augenblick darüber entscheidet, welch ein
Bild die edle Dame von Tsalla sich macht vom Großherrn Derek.
“…und verzeiht auch Prinzessin
Damma, der das Schicksal selbst die Finger führt, wenn sie das Ghamellan
spielt…”
Unwillkürlich zuckt Derek auf in
einem Gefühl freudiger Überraschung – Prinzessin Damma selbst ist nach Seemark
gekommen! Oh, wie hat er als Knabe davon geträumt, diesem Mädchen wenigstens
einmal im Leben zu begegnen!
“Halt den Mund, Andorgas!” fährt
Damma scharf dazwischen. “Ich kann für mich selbst sprechen und werde sicher
Worte finden”, sie neigt ein wenig den Kopf und blickt danach Derek wieder ins
Gesicht, ohne eine Miene zu verziehen, “die Großherr Derek die Kränkung
vergessen lassen.”
Derek spürt, wie ihm die Erregung
das Blut in den Kopf treibt. Da steht sie vor ihm, die schillernde Traumgestalt
seiner Kindheitsnächte, die Fleisch gewordene Legende, die menschliche Göttin
des Krieges und des Todes…
“Erhebe dich Andorgas”, sagt er
kurz, “wer einen Becher guten Weines mit mir leerte, soll sich nicht die Knie
wundscheuern auf dem Boden, dessen Herrscher ich bin.”
Ich hätte es nicht so frostig
sagen sollen, denkt er flüchtig, aber dann nehmen seine Sinne nur noch wahr,
was in unmittelbarem Zusammenhang mit der Person Prinzessin Dammas steht: Diese
lächelt spöttisch, aber es gelingt ihr nicht, die wilde Neugier aus dem Funkeln
ihrer Augen zu bannen.
“Verzeiht auch mir”, sagt sie,
“wenn ich Euer Trachten falsch verstand, Großherr Derek. Wer sich als Knecht
verkleidet, will, daß man als solchen ihn
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