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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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Ha!”
    Damma ist aufgesprungen, und der
mit kostbaren Schnitzereien verzierte Sessel poltert hinter ihr zu Boden. Sie
schüttelt zornig die Faust.
    “Diese Hand wird töten, töten,
töten – bis kein Feind mehr wagt, auch nur seinen stinkenden Atem über Tsallas
Grenzen zu blasen!”
    Derek ist schnell hinzu
gesprungen und richtet das schwere Sitzmöbel wieder auf, da Gunder in der Küche
nach dem Rechten sieht. Es gibt nicht viele Diener im Palast von Seemark – das
Heer ist wie ein menschenfressender Moloch, und Derek kann es sich nicht
leisten, kräftige Männer untätig in den Hallen und Sälen herumstehen zu lassen,
nur daß sie ein dutzendmal am Tag eine Tür öffnen und schließen oder einen
umgestürzten Sessel aufrichten.
    “Bitte nehmt wieder Platz,
Prinzessin”, sagt er freundlich. “In Seemark gibt es keine Feinde Eures
Volkes.”
    Damma läßt sich schnaufend in die
weichen Polster sinken und antwortet bedächtig: “Deshalb sind wir hier,
Großherr Derek.”
    Nichts ist geblieben vom Bild der
weinenden Prinzessin, einem zarten, leidenden Geschöpf, dem das Eisen der
Rüstung wie Zentnergewichte auf der Seele liegt. Es ist wieder die
Kriegsgöttin, die an Dereks Tafel sitzt.
    Der junge Herrscher von Seemark
betrachtet nachdenklich den faustgroßen Rubin, dreht ihn hin und her, daß
Kaskaden von feurigen Spritzern aus ihm sprühen.
    “Was meint ihr, soll ich den
Knauf der Elridssense mit ihm schmücken?” fragt er behutsam, darauf bedacht,
kein falsches Wort zu wählen.
    “Ach, macht doch, was Euch
beliebt, mit diesem Unglücksstein”, antwortet Damma frostig, und Andorgas fügt
hinzu: “Mit Verlaub, Großherr von Seemark – einem Schwerte würde er wohl besser
stehen, als diesem Spießchen, das Ihr Eurem Koch zum Richten eines Bratens
überlassen solltet.”
    Das spöttische Funkeln in den
roten Augen des Thar dämpft Dereks aufwallenden Unmut.
    Ein Mundwerk hat er, wirklich wie
ein frecher Jüngling, denkt Derek und lächelt still, beschämt ein wenig, daß
Eitelkeit sich in ihm regte. Und er sagt: “Ich dachte, der Zahnstocher hätte
Euch ein wenig Achtung abgerungen, Erzherr Andorgas.”
    “Laßt den Unfug mit dem Titel”,
knurrt Andorgas, “er ist nur Schall und Rauch, und mein Gebaren ist wohl eher
eines Knechtes Wesen, als das des Bruders eines Königs – so sagt es Damma
immerzu und schämt sich meiner, daß oft den Onkel sie verleugnet und zu mir wie
zu einem Knechte spricht.” Grinsend aber setzt er hinzu: “Sie mag es wohl,
wenn ich sie Hoheit nenne, denn sie ist nicht gerade hoch geraten und leidet
sehr darunter, kaum einem Manne bis ans Kinn zu reichen…” Von Dammas erbosten
Zischen läßt er sich nicht erschüttern. “Ihr dürft sie nie daran erinnern und
nie den Blick auf ihre Stiefel senken…”
    Unwillkürlich schaut Derek unter
den Tisch, und das erste Mal fällt ihm auf, daß die Sohlen der Stiefel
Prinzessin Dammas ungewöhnlich dick sind.
    Ein wütender Schrei hallt durch
den Thronsaal. Ehe Derek überhaupt reagieren kann, springt Damma erneut auf,
ein kurzer Hakendolch funkelt in ihrer Faust, und die Klinge sticht wie ein
Blitz über den Tisch.
    Andorgas grinst nur. Die Spitze
des Messers berührt fast seine Stirn, und Damma zischt: “Vor jedem anderen
Manne kannst du mich erniedrigen, Andorgas – doch tust du es noch einmal vor
dem Großherrn Derek, dann werde ich dich töten!”
    Andorgas schiebt behutsam die
Hand mit dem Dolch zur Seite und blickt seine Nichte lange an.
    “Gerade vor ihm nicht?” fragt er
lauernd, dann fügt er mit leiser Mahnung in den Worten an: “So schnell vergißt
du deinen Schwur, Prinzessin Damma…”
    Damma wendet sich abrupt ab und
schnauft nur noch gekränkt.
    Derek ist eine Weile hilflos,
weiß die letzten Worte nicht zu deuten und spürt eher instinktiv, daß es auch
um ihn ging, zumal Andorgas noch murmelt: “Verstehen könnte ich dich gut, Kind,
er ist fast wie du: So jung noch, trägt er schon die Bürde aller Leben seines
Reiches, wo andere eures Alters ihr eigenes Leben erst beginnen, tastend suchen
nach dem Sinn der Dinge, da müßt ihr Kinder in Soldatenstiefeln über
Leichenberge steigen…”
    Unendliche Trauer klang aus
diesen Worten, und Derek ist weit davon entfernt, dem Thar zu verübeln, daß er
ihn ein Kind nannte. Im Munde dieses Mannes aus Eisen war es keine Schmähung,
sondern fast wie Zärtlichkeit. Und wieder denkt Derek schmerzlich: So war
Curdin manches Mal. Es waren die wenigen Stunden, in denen

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