Copyworld: Roman (German Edition)
er spöttisch hinzu: “Der konnte es anscheinend überhaupt nicht
erwarten – alles abgerissen und steckt in seiner Haut. Na, der wird vielleicht
jammern.” Obgleich es eindeutig schadenfroh klang, ist Hyazinth nicht in der
Lage, sich zu ärgern. Stattdessen grinst er friedfertig.
“Sieh dir bloß mal diese dämliche
Fresse an…”, flüstert die eine Uniformierte der anderen zu, und der Mann vor
ihm verzieht das Gesicht. Rutila kichert dazu derart albern, daß Hyazinth für
Sekundenbruchteile seinen klaren Kopf zurückerlangt.
Sie haben etwas zum Weckspray
gemischt! durchzuckt es ihn, aber die kurze Rebellion seines Verstandes wird
von einer Welle unbeschwerter Fröhlichkeit überrollt.
“Komm gleich zurück, wenn du
alles erledigt hast!” ruft Rutila ihm vergnügt hinterher, als die beiden Männer
ihn unterfassen und zum Schwebschacht führen. Er winkt ihr zu, die beiden
zerren ihn jedoch mit finsteren Mienen weiter. Das stört ihn aber nicht
sonderlich, ganz im Gegenteil, er stellt sich steif und bockbeinig und muß
schallend lachen, als die beiden schimpfend ziehen und schieben. Ja, das macht
Spaß! Nun endlich weiß er, warum Federchen dieses amüsante Spiel so sehr liebt!
“… du solltest ihn nur
euphorisieren, du Esel…”, hört er den einen fluchen.
Im Schwebschacht flattert er wie
eine Fadenschaumspinne auf und nieder, daß die Männer vom Gesundheitswachdienst
Mühe haben, ihn nicht entwischen zu lassen.
Den Schwebschacht beherrscht
Hyazinth wie kein zweiter. Erst läßt er sich kopfüber mit gestrecktem Körper
gegen den Luftstrom in die Tiefe fallen, dann macht er eine Rolle, spreizt Arme
und Beine weit von sich und segelt an seinen verblüfften Verfolgern vorbei
wieder nach oben.
“… Mann, der ist so aufgekratzt,
dem mußt du ja mindestens ein Dutzend Einheiten verpaßt haben…”
Hyazinth gackert und zwitschert
wie Federchen, wenn sie außer Rand und Band ist. Das war ein guter Einfall von
der Gesundheitswache, mir zwei Spielgefährten zu schicken! Immer nur im Bett,
das sind doch langweilige Nächte! Dunkel wird ihm in einem winzigen Winkel des
Gehirns bewußt, daß die Nacht schon vorüber sein muß, wenn der Schwebschacht
wieder in Betrieb ist. Egal, denkt er heiter, diese Stunde muß ich mir merken,
das ist etwas ganz anderes, als in den überfüllten Schächten am Tage!
Endlich erwischt ihn einer der
Männer am Fuß. Na gut, er ergibt sich. Sie haben gewonnen. In rasendem Fall
geht es abwärts. Oho, so ungeschickt sind sie gar nicht! Obgleich sie mich
festhalten müssen, fliegen sie geradezu meisterlich.
Der Schwebschacht im Innern des
Trägerturms ist nur spärlich beleuchtet. So fallen die leuchtenden Markierungen
besser auf, die dazu dienen, Fall oder Steigflug entsprechend dem Ziel zu
gestalten. Als neben dem blinkenden Abwärtspfeil das rote Symbol der
Labyrinthbahn erscheint, von einem dreifachen Ring aus gelb, blau und grün
umgeben, strecken sich die beiden Männer in die Waagerechte und bremsen so den
rasenden Sturz.
Aha, es geht in der
Untergrund! Hyazinth freut sich. Jetzt
noch eine Fahrt mit der Labyrinthbahn, das ist schön. Sicherlich ist es in den
frühen Morgenstunden auch noch so leer wie im Schwebschacht. Das würde
bedeuten, daß der Kabinentropfen mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit durch das
Röhrensystem jagt. Er grinst frech und rollt sich zusammen. Ein Ausruf des
Erschreckens, dann lassen die beiden los und bleiben sofort weit hinter ihm
zurück. Diese Feiglinge, denkt Hyazinth. Wenn man bis zum untersten Ausstieg
fliegt, bremst man nicht, sondern läßt sich von der Unfallmembran auffangen. Im
Internat ist das gang und gäbe.
Er schießt an der Blau-Grün-Markierung
vorbei und korrigiert ein wenig seine Lage, so daß er mit dem vorgestreckten
Hintern zuerst in die Membran fallen muß. Kopfüber sollte man das möglichst
nicht tun, weil der Blutandrang beim Abbremsen zu einer kurzzeitigen Ohnmacht
führen kann und nicht selten rote Augen hervorruft, durch die geplatzten
Blutgefäße.
Grün. Oft kommt es vor, daß hier
jemand die Nerven verliert und sich streckt, um doch noch ein wenig zu bremsen.
Blanker Wahnsinn. Man bekommt die
Folie ins Gesicht wie eine schallende Ohrfeige, außerdem kann man sich
schmerzhafte Prellungen zuziehen, weil immer irgendwelcher Dreck auf der
Membran liegt. Das tut weh, jedenfalls im Gesicht. Mit dem Rücken voran ist es
auch nicht zu empfehlen, weil so ein Schlag auf den Hinterkopf auch nicht gerade
angenehm
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