Copyworld: Roman (German Edition)
zuvor verschmelzen. Nicht
einmal die unbändige Macht, mit der er eins wird mit Rutila, dringt ihm ins
Bewußtsein.
Erst das klopfende Geräusch, mit
dem ihr Kopf bei jedem seiner gewaltigen Stöße gegen die Wand der Wohnblase
schlägt, bringt ihn zur Besinnung. Er hält einen Augenblick inne und blickt in
ihr Gesicht. Rutilas Augen sind halb geschlossen, ihr Mund weit geöffnet, als
müsse sie gähnen. Das versetzt ihn in
Raserei. Mit einem kräftigen Ruck zerrt er sie zurück und stemmt sich wieder in
sie hinein. Rutila lallt irgendein unverständliches Zeug, ihre Finger krallen
sich in seinen Rücken, und ihr Becken stößt auf und nieder.
Als es vorbei ist, will er es
zuerst nicht wahrhaben. Immer wieder, noch einmal und noch einmal drängt er
zwischen ihre Schenkel, obwohl da nichts mehr ist, was ein Recht hätte, Einlaß
zu begehren. Unentwegt streichen seine Hände über ihr schweißnasses Gesicht,
und als er einschläft, trägt ihn ein Gefühl von Glück in einen verworrenen
Traum, wie es ihm bisher gänzlich fremd war…
Er sitzt auf dem Rücken eines
seltsamen Reittieres, dem drei spitze Hörner aus der Stirn ragen und jagt über
eine weißglitzerende Landschaft dahin. Dann ist da etwas von Flügeln und von
Schweben hoch über der Erde, so hoch, daß er Angst bekommt, nie wieder hinunter
zu gelangen. Die Sonne zieht ihn magisch an, und er flattert gegen seinen
Willen immer höher hinauf, hinein in dieses Gleißen und Strahlen. Und Stimmen
sind da, die seinen Namen rufen, und die Stimmen rütteln und schütteln ihn…
“Hyazinth Blume, wachen sie auf!”
hört er wie aus weiter Ferne.
“Rutila Stein, Hyazinth Blume,
wachen sie auf!”
Blendendes Licht dringt durch
seine geschlossene Augenlider. Als er verwirrt die Augen öffnet, blickt er
genau in eine grell leuchtende Handlampe. Ein feines Zischen, und eine Wolke
aromatischer Düfte schlägt ihm ins Gesicht. Wenige Sekunden später ist er
hellwach.
“Folgen Sie uns sofort in die
Gesundheitswache!” hört er einen scharfen Befehl, kann aber immer noch nichts
sehen, außer diesem grellen Licht. Rutila dreht sich seufzend auf den Rücken
und fährt erschreckt auf.
“Was ist denn los?” fragt
Hyazinth verdutzt und schirmt die Augen mit der Hand gegen das Licht ab. Da wird die Lampe
gesenkt, und im diffusen Streulicht erkennt er zwei Männer und zwei Frauen in
den Uniformen der Gesundheitswache. Federchen zwitschert mißvergnügt, als er
das feine Gespinst zerreißt, mit dem sie ihn eingehüllt hat.
Rutila schaut abwechselnd auf
ihn, dann auf das Gewölk aus Fadenschaum und zuletzt zu den Mitarbeitern der
Gesundheitswache. Dabei nimmt ihr Gesicht den Ausdruck zunehmender Verwirrtheit
an. In Hyazinth keimt ein schlimmer Verdacht.
“Hat es mit der Reinheitsweihe zu
tun?” preßt er hervor.
Die Männer sehen sich kurz an,
fast will es scheinen, ein wenig ratlos, dann versichert der eine eilig: “Ja,
mit der Reinheitsweihe. Folgen Sie uns!”
Ihm ist als stürze die Welt über
ihm zusammen. Unwillkürlich tastet er nach Rutilas Hand. Sie erwidert den Druck
und blickt ihn angstvoll an. Immer noch riecht es in der Wohnblase aromatisch
frisch nach dem Weckspray, aber irgendwie ist da noch ein anderer Duft, leicht
und süßlich, kaum spürbar. Hyazinth mißt dem keinerlei Bedeutung bei, überhaupt
gewinnt er schnell die Fassung zurück und schilt sich insgeheim einen Dummkopf.
Gleich in Panik zu geraten, solch ein Unfug! Er fühlt sich plötzlich seltsam
beschwingt und heiter, als er das Mykorrhizatrikot überstreifen will und auf
seiner Haut die unzähligen kleinen Pusteln ertastet, die sich über den
abgerissenen Würzelchen gebildet haben.
Daß die beiden Frauen Rutila
auffordern, sich ebenfalls anzukleiden, wundert ihn ein wenig, aber er denkt,
das wird schon seine Richtigkeit haben. In Villafleur geschieht nichts ohne
Grund. Alles zum Wohle unserer tapferen Märtyrer. Wache über deinen nächsten…
du sollst nicht zweifeln… dein Denken sei eins mit der Lehre…
Hyazinths Gedanken verhaspeln
sich, schwirren wie besoffene Schwalben durcheinander. Was ist denn das? fragt
er sich belustigt. Ich habe doch schon seit Tagen kein Meskalpulver genommen –
ist das etwa die richtige, wahre Liebe?
“He, warten Sie mal!” ruft
plötzlich der eine Mann von der Gesundheitswache und tritt an ihn heran,
befühlt seinen Rücken.
“So können sie kein
Mykorrhizatrikot anziehen, nehmen sie ein normales!” Und zu seinen Begleitern
gewandt, fügt
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