Copyworld: Roman (German Edition)
ist. Einem Knirps aus der Familie Stern mußten sie vor Jahren das
linke Auge regenerieren. Der Schwachkopf ist mit dem Kopf in die Membran
gestürzt und zufällig lag genau am Ort seines Aufpralls ein Kekskrümel. Er ist
allerdings wie ein Kunstspringer geflogen, mit dem Kopf voran und mit
ausgebreiteten Armen…
Da ist die Folie! Eine
Zehntelsekunde lang sieht er das Schillern des dünnen Häutchens, dann spürt er
einen kräftigen Klaps auf das Gesäß als sei er aus mehreren Metern Höhe ins
Wasser gesprungen, und der starke Stoß des Rettungsstroms faucht aus den Düsen,
beutelt und schlägt ihn wie mit Fäusten und Fußtritten. Sicher, ein paar blaue
Flecken muß man bei dieser Art Landung schon in Kauf nehmen. Aber es ist ein
unvergleichliches Gefühl, sich ohne Gegenwehr der Zuverlässigkeit automatischer
Abläufe zu überantworten, es ist geradezu ein Abenteuer! Manches Mal schon hat
Hyazinth sich die Frage vorgelegt, was er täte, wenn dieses Rettungssystem auch
nur ein einziges Mal in hundert Jahren versagt hätte. Dann würde er sich mit
noch mehr Genuß in die Tiefe stürzen, zweifellos.
Für zwei, drei Sekunden hat er
das Gefühl, sein Innereien bestünden aus purem Blei. Es reißt durch seinen
Körper als wolle es ihn zerfetzen – dann federt die Membran nach oben, und er
springt leichtfüßig in die Transportkammer.
Dort wartet er mit spöttischem
Grinsen auf die vorsichtig herabschwebenden Gesundheitsdienstler.
“… waren wohl doch keine zwölf
Einheiten, oder?” hört er den einen knurren.
“Der verarscht uns doch!” flüstert
der andere grimmig und packt Hyazinth derb am Oberarm. “Wer soviel Frechheit
besitzt wie der, der ist noch zu ganz anderen Sachen fähig!”
“Ein Blume… die waren schon immer
aufsässig”, antwortet ihm sein Kollege.
“Eigentlich kein Wunder. Wenn die
Sterns jemals so gedemütigt worden wären, wer weiß, wie wir denken und handeln
würden…”
“Denk lieber an das zehnte
Generalgebot, du Schwätzer!”
Hyazinth schenkt dem Dialog keine
weitere Beachtung. Es ist nicht ungewöhnlich, daß einige wenige Angehörige der
einen oder anderen Familie gewisse Abneigungen gegen alle anderen Familien
hegen. Vielleicht liegt das bei den Sterns daran, daß sie im Allgemeinen nur
niedere Dienste verrichten, denkt er beiläufig. Ihr Genpotential ist nicht von
allerbester Güte.
“Uns kann niemand demütigen, was
sollte das für eine Beleidigung sein, mit der man einen Stern noch mehr kränken
kann als allein durch seine Existenz…”, brummt der eine noch, der seinen
Kollegen gerade zurechtgewiesen hat.
Hyazinth wundert sich nur. Aber
irgendwie spürt er, daß die beiden Männer Trost brauchen. Zwar weiß er nicht,
was sie so verstimmt haben könnte, aber ihre Übellaunigkeit bleibt ihm trotz
seiner ausgesprochen guten Stimmung nicht verborgen.
“Ihr seid ganz tolle Typen”, sagt
er mit freundlichem Grinsen. Der eine lacht trocken auf, und der andere knurrt
unfreundlich: “Da bist du aber der erste, dem das auffällt.”
“Nein, ehrlich. Ich mag euch.”
“Doch ein Dutzend Einheiten, du
hast recht”, brummt der eine der beiden.
“Immerhin ist der Effekt
erstaunlich”, entgegnet sein Partner, und zu Hyazinth gewandt: “Weshalb? Das
muß doch einen Grund haben.”
Hyazinth plappert einfach
drauflos. Seine gute Laune strömt als mächtiger Wortschwall aus ihm, er erzählt
irgend etwas, wie es ihm gerade in den Sinn kommt und weiß Sekunden später
schon nicht mehr, was er zusammengefaselt hat. Das stört ihn jedoch in keiner
Weise. Er redet und redet – und den beiden scheint es zu gefallen, ihre Mienen
hellen sich auf, ab und zu lachen sie sogar.
Selbst in der Labyrinthbahn
versiegt sein Redestrom nicht. Das irrsinnige Auf und Ab des Kabinentropfens
dringt überhaupt nicht in sein Bewußtsein, er schwatzt mit einer Ausdauer und
einem Einfallsreichtum, daß er selbst gelegentlich erstaunt darüber ist, was da
alles aus seiner Phantasie sprudelt.
“Der ist unbezahlbar.” Der eine
schlägt sich lachend auf die Schenkel.
“Aus dem wird noch was, trotz
seiner Macken, wirst sehen!” entgegnet der andere feixend.
Hyazinth gelangt erst wieder zu
sich, als er auf der Plattform eines Diagnosesystems liegt. Erst kommt ihm alles wie ein alberner Traum vor,
aus dem er noch nicht erwacht ist. Häufig plagen ihn solche verworrenen Träume
in den frühen Morgenstunden, wenn er durch einen lästigen Druck in der Blase
erwacht und zu faul ist, aus
Weitere Kostenlose Bücher