Coq 11
womöglich heimtückische Pläne. Israel will Sie wiederhaben. Und die USA möchte, dass Sie aus der Schusslinie verschwinden. Ich glaube, das ist eine gute Verhandlungsbasis.«
»Wie viele Palästinenser bin ich wert, General?«
»Schwer zu sagen. Im religiösen oder philosophischen Sinne entspricht Ihr Wert nur dem eines einzigen Palästinensers. Bei der heute gängigen Einschätzung des Wertes verschiedener Menschenleben – ich meine, in den Medien und in der Politik – zählen Sie wahrscheinlich so viel wie mindestens hundert Palästinenser. Vielleicht können wir uns bei den Verhandlungen irgendwo in der Mitte treffen.«
»Das sind ja wunderbare Neuigkeiten, General. Ich kann nicht verleugnen, dass ich auf meine Freilassung hoffe.«
»Warum sollten Sie auch? Aber wenn ich in Ihrer Haut stecken würde und eine Gefangene an Bord der Tekuma wäre, bliebe mir nichts zu hoffen übrig. Wenn ich überhaupt noch am Leben oder bei Bewusstsein wäre. Verzeihen Sie, das war nicht meine Absicht. Vergessen Sie es. In einer Woche laufen wir einen Hafen an, und schätzungsweise eine weitere Woche später werden Sie ausgetauscht. Dann können Sie frisch und munter in Ihren Kibbuz heimkehren und Ihren wohlverdienten Urlaub beantragen.«
»Bei wem? Offenbar existiert mein Arbeitgeber, die israelische Flotte, ja nicht mehr.«
Plötzlich und für beide unerwartet konnten sie zusammen lachen.
»Mein lieber Brigadegeneral, falls Sie gestatten, dass ich mich so unmilitärisch ausdrücke. Ehrlich gesagt, hoffe ich, auch wenn es verrückt und ziemlich unrealistisch klingt, ich hoffe, Sie eines Tages in den Kibbuz einladen zu können.«
»Das ist ein schöner Traum«, gab sie zu und blickte auf den dicken Zeitungsstapel hinter. Mindestens fünf Überschriften enthielten die Worte »Madame Terror«. »Und ich würde Sie gern nach Gaza einladen, wo Ihnen niemand ein Haar krümmen würde, solange ich an Ihrer Seite wäre. Ich nehme an, da Sie ein Eschkol sind, gilt für Ihren Kibbuz das Gleiche.«
»Ja, das ist ein schöner Gedanke. Stimmen Sie mir zu, solange uns niemand zuhört?«
»Natürlich. Allerdings haben Sie eine etwas höhere Lebenserwartung als ich.«
»Aber die Hoffnung stirbt nie, nicht wahr?«
»So muss man es wohl sehen.«
Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas wusste nicht mehr, seit wie vielen Tagen er schon unterwegs war, wahrscheinlich waren es bald zwei Wochen. Da alle wichtigen Länder auf der Welt seine Regierung boykottierten, musste er die Außenpolitik allein erledigen. Dass die Hamas bei den palästinensischen Parlamentswahlen gewonnen hatte, war ein Unglück. Vor allem, weil es Israel einen Anlass gab, alle Friedensverhandlungen abzubrechen und ihre Apartheidmauer, die sogenannte »Sicherheitsbarriere«, in aller Ruhe hochzuziehen. Man verhandle schließlich nicht mit Terroristen, auch wenn sie die äußerst ungewöhnliche Terrormethode angewendet hatten, eine demokratische Wahl zu gewinnen. Die Ironie an der Sache bestand darin, dass Israel in den Achtzigerjahren die Entstehung der Hamas finanziell unterstützt hatte, um Jassir Arafat und seine Regierung in Schwierigkeiten zu bringen. Diese Taktik hatten sie sich bei den Amerikanern abgeguckt, die zur selben Zeit die islamistische Widerstandsbewegung in Afghanistan aufbauten, um der Sowjetunion ein Pendant zum Vietnam-Trauma zu bescheren. Der Plan hatte ausgezeichnet funktioniert, zumindest beinahe. All die von den USA trainierten, bezahlten und bewaffneten Islamisten machten jetzt den Vereinigten Staaten die Hölle heiß, während die PLO immer teuflischere Probleme mit der Hamas bekam. In keinem Interview mit der internationalen Presse versäumte er es, auf diese Ironie des Schicksals hinzuweisen, obwohl die Reporter solche Bemerkungen einfach ignorierten und stattdessen etwas über das U-Boot erfahren wollten. Konnte das U-Boot israelische Luftwaffenstützpunkte angreifen? Gab es, wie das Pentagon behauptete, Kernwaffen an Bord? Würde man als Nächstes Tel Aviv dem Erdboden gleichmachen?
Konnte er als Präsident die Hamas-Regierung dazu bewegen, die drei Forderungen zu erfüllen, die »die ganze Welt« stellte? Nämlich erstens Israel anzuerkennen, zweitens alle Abmachungen einzuhalten und drittens die Terroraktivitäten einzustellen?
Was sollte er darauf antworten? Hatte Israel Palästina anerkannt? Hielt Israel die Absprachen ein? Unterließ Israel den Terror, oder wie sollte man das Massaker an den badenden und fischenden
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