Coq 11
Fernsehen.
Lawrow wollte darauf hinaus, dass man die Amerikaner, selbst wenn sie zuerst angriffen, unbedingt verschonen müsse. Falls es auf amerikanischer Seite zu Verlusten käme, würde ihr religiös fundamentalistischer Präsident vermutlich von Gott den Ratschlag erhalten, große Teile der Erde in Schutt und Asche zu legen. Auf Verluste reagierten die Amerikaner extrem empfindlich. Abgesehen von der unüberschaubaren Zahl von Toten und der Zerstörung, wäre damit auch jede Verhandlungstür endgültig zugeschlagen. Und dann hatte man nichts gewonnen, sondern sich in eine äußerst ernste und schwierige Lage manövriert.
An diesem Punkt des Gesprächs überkam Mahmud Abbas ein seltsames Gefühl von Ohnmacht. Lawrow konnte nicht wissen, dass der palästinensische Präsident nur über Fernsehinterviews Kontakt mit dem U-Boot hielt. Mahmud hatte zwar immer wieder betont, die palästinensische Flotte habe keine kriegerischen Absichten gegenüber den USA – man würde aber zurückschießen, falls der andere das Feuer eröffnete. Was hätte er sonst sagen sollen?
Lawrow antwortete, es käme darauf an, den Amerikanern nicht die Möglichkeit zu geben, als Erste zu schießen. Ob eigentlich etwas an der Behauptung der amerikanischen Fernsehsender dran wäre, man habe das U-Boot vor der spanischen Küste so gut wie gefasst?
Auf diese Frage konnte Mahmud Abbas eine beruhigende Antwort geben. Seines Wissens befinde sich die U-1 Jerusalem draußen im Atlantik. Zum ersten Mal lächelte der russische Außenminister.
Sehr viel herzlicher lief das Treffen mit Vertretern der norwegischen Regierung ab. Jens Stoltenberg war wieder an die Macht gekommen und hatte sich mit Begeisterung in sein altes Friedensprojekt gestürzt. Die Norweger hatten 1993 den sogenannten Friedensprozess in Gang gebracht, und nun brannte Stoltenberg darauf, an seine früheren Bemühungen anzuschließen. Mahmud Abbas hatte Jassir Arafat damals finanziell beraten, Farouk Kaddoumi war Arafats Außenminister gewesen. Oslo im November war die Hölle, Schneematsch und Dunkelheit, aber die norwegische Unterstützung war von unschätzbarem Wert gewesen. Die Norweger hatten unter anderem den von den USA geforderten Boykott missachtet. Die Amerikaner hatten weltweit jede Bank bedroht, die dem isolierten Palästina Geld schickte. Was für zwei Millionen Einwohner beinahe zu einer Hungerkatastrophe geführt hätte. Mehr als hundertvierzigtausend Angestellte im öffentlichen Dienst hatten seit vier Monaten kein Gehalt erhalten, als Den Norske Bank anbot, finanzielle Unterstützung aus der arabischen Welt – und natürlich aus Norwegen – zu vermitteln. Zumindest einige Bewohner von Gaza hatten aufatmen können. Die Vereinigten Staaten mussten die Embargoverletzung schlucken, schließlich konnten sie das NATO-Mitglied Norwegen schlecht bombardieren.
Ein weiterer Vorteil des Wiedersehens mit seinem alten Freund Jens bestand darin, dass dieser eine so elegante Lösung für den Gefangenenaustausch fand. Die U-1 Jerusalem hatte nur acht Israelis an Bord. Im Austausch gegen sie zu viele Palästinenser zu verlangen, wäre erniedrigend gewesen, als wären Israelis wertvoller als Palästinenser. Jens kam auf die wunderbare Idee, auf eine Abmachung aus dem Jahr 2000 zurückzukommen. Kurz bevor Ariel Scharon während des Freitagsgebets auf den Tempelberg hinaufspazierte und damit, wie beabsichtigt, die zweite Intifada auslöste, hatte er angekündigt, achthundert palästinensische politische Häftlinge freizulassen.
Die Freilassung dieser achthundert Palästinenser sollte damals ohne Gegenleistung erfolgen, ein Schritt auf dem Weg in den Friedensprozess. Dies gab der palästinensischen Seite nun die Möglichkeit, ihren guten Willen zu zeigen: zurück zum Friedensprozess, zurück zur Freilassung der achthundert Palästinenser. Die acht israelischen Seeleute würde es als Bonus dazu geben. Ein intelligenter Plan. Niemand brauchte das Gesicht zu verlieren, niemand musste den Wert von palästinensischen und israelischen Menschenleben gegeneinander aufrechnen, niemand konnte behaupten, er sei erpresst worden. Stoltenberg wollte sich der Verhandlungen annehmen und bot an, dass der Gefangenenaustausch in Norwegen stattfand.
So weit alles gut und schön. Nach Stoltenbergs Ansicht hatte die Sache jedoch einen Haken, an dem sich alle stoßen würden. Und zwar, falls die U-1 Jerusalem in eine Auseinandersetzung mit der amerikanischen Flotte geriete. Das würde nur
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