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Coq 11

Coq 11

Titel: Coq 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillou
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Oder war es reine Morgenmuffeligkeit, dass sie nicht im Geringsten auf Konversation bedacht zu sein schien.
    Er betrachtete sie heimlich. Sie war etwas eleganter gekleidet als bei ihrer ersten Begegnung, aber er war sich bei solchen Sachen nie ganz sicher. Sie trug ein eng anliegendes Kostüm in Hellgrün, laut MacGregors Ehefrau die Farbe der Saison, und eine graue Seidenbluse mit einem – wenn man bedachte, dass sie … Muslimin war – erstaunlich tiefem Ausschnitt. Über ihren Schultern hing ein lockeres Kaschmirtuch in warmen Herbstfarben, ihre schwarzen Schuhe hatten einen kleinen silberfarbenen Absatz, und in einer edel gealterten Aktentasche von Mulberry schien sie ein Notebook mit sich zu führen. Spätestens an der Sicherheitskontrolle würde es sich herausstellen.
    Sie sah aus, als wäre sie zwischen vierzig und fünfundvierzig, aber MacGregor wusste, dass sie ein paar Jahre älter war. Er versuchte herauszufinden, weshalb sie jünger erschien. Sie hatte keine übermäßig schmale Taille, soweit er das durch die gut geschnittene Jacke beurteilen konnte, aber auch kein überschüssiges Gramm Fett. Sie war wohlproportioniert und machte anscheinend auch Krafttraining, was angesichts ihres angeblichen Rückzugs aus aktiven Operationen ein etwas unheimlicher Gedanke war. Wer nach langem und treuem Dienst hinter dem Schreibtisch landete, veränderte sich körperlich meist schnell. In diesem Punkt galt für Männer wie Frauen dasselbe. Sie dagegen hatte ihr Fitnesstraining offenbar auf hohem Niveau beibehalten.
    Dafür konnte es verschiedene und zudem ganz einfache Erklärungen geben. Geheimdienstoffiziere waren nicht weniger eitel als andere Menschen. Und ein schlanker Körper wurde allgemein als schöner erachtet. Er war der Letzte, der sich darüber Gedanken machen musste, denn er verbrachte selbst einen Großteil seiner Arbeitszeit im Fitnessstudio des MI6 im zweiten Stock.
    Wie vorausberechnet dauerte die Taxifahrt eine halbe Stunde. Sie sagte kein einziges Wort und wirkte nun überhaupt nicht mehr morgenmufflig, sondern verbissen.
    Die zuständige Abteilung des MI5 befand sich in einem Bürogebäude an der Knightsbridge, genau gegenüber von den Kensington Gardens. Auf den Türschildern stand irgendetwas von Import und Export. Dieses Arrangement gefiel ihr, es war genau wie in der guten, alten Zeit. Und im Übrigen war ihr eigenes Hauptbüro in Tunis genauso getarnt.
    Nachdem sie einen kalten Raum betreten hatten, in dem sich die Rezeption und fürchterliche moderne Kunst befanden, sah es immer noch aus wie in irgendeiner Firma. Dann aber wurden sie umgehend zu einer zweiten Rezeption geleitet, wo es etwas anders zuging. Es gab Durchleuchtungsgeräte, Metallschranken und uniformiertes Sicherheitspersonal, das ihren Computer mit einer Sorgfalt untersuchte, die sie leicht übertrieben fand.
    In den Räumen dahinter dominierte modernste Technik: Sie gingen an blinkenden Bildschirmen und Angestellten mit futuristischen Headsets vorbei, bis sie zu einem Versammlungssaal gelangten, der ganz in Chrom und hellblauen Farben eingerichtet war.
    Etwa dreißig Personen erwarteten sie bereits, darunter zwei Männer, die aussahen, als wären sie die Chefs. Der Empfang war alles andere als freundlich. Der Kleidungsstil der Anwesenden schien vor allem daran orientiert, nicht mit den Maßanzug­trägern vom MI6 verwechselt zu werden. Dazu passend erhob sich niemand, als der weibliche Gast eintrat. Ganz hinten saßen einige bärtige Gestalten mit Jeans, Sonnenbrillen und amerikanischen Baseballkappen. Sir Evan Hunt vom MI6 wäre bei diesem Anblick in Ohnmacht gefallen.
    Die beiden Chefs trugen zu ihren Jeans immerhin Tweedjacketts und notdürftig geknotete Krawatten.
    Sie hießen Pete und Webber, der eine war kurzhaarig, und der andere hatte eine lange Hippiefrisur. Höflich reichten sie ihr die Hand, wiesen ohne Umschweife zum Rednerpult und ließen sich mit einer andächtigen Aufmerksamkeit, die unverhohlen höh­nisch war, auf ihren eigenen Plätzen nieder. Vereinzeltes Kichern unterstrich die Ironie. Mouna nahm an, dass sie dies in Kauf nehmen musste, weil sie dem MI5 durch seinen großen Bruder MI6 hatte vorschreiben lassen, wie das Treffen ablaufen sollte.
    Auf dem Weg zum Rednerpult überlegte sie, dass sie die einleitende Passage noch stärker kürzen musste, als sie es bereits am Vorabend im Hotel getan hatte. Dieses Publikum war ihr von Anfang an feindlich gesinnt. Vielleicht sollte sie es eher mit Ironie und Humor

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