Coq 11
natürlich der falsche Ausdruck, denn dieses Gefühl war seit Langem aus ihrem Bewusstsein verschwunden. Sie fühlte sich aufgeräumt, leicht und stark.
Die Briten hatten sich darauf eingelassen. Sie durfte die Brüder Husseini vor ihren Augen rekrutieren. Sie würden ihr nötigenfalls sogar mit falschen Papieren helfen.
Allmählich konnte eines der letzten und schwierigsten Puzzleteile an den richtigen Platz gelegt werden.
Webber, wie er sich normalerweise auch intern nannte, hatte keinen Anspruch auf einen eigenen Dienstwagen mit Chauffeur. Aber das war ihm egal, denn er war dankbar für einige Stunden Pause hinterm Steuer. Wenn er Auto fuhr, konnte er gut denken. Frei und unstrukturiert schweiften dann seine Gedanken von unbedeutenden Beobachtungen am Wegesrand zu der ewigen großen Frage, dem Terrorismus – wie jetzt auf der ständig überlasteten M1 nach Norden. Es wäre extrem wenig Material und Personal vonnöten, um den Verkehr hier stundenlang zu blockieren und ein Chaos zu produzieren. Im Grunde war es überall so. Wenn man bedachte, wie verletzlich die westlichen Gesellschaften auf die einfachste technische Sabotage reagierten, war es nahezu mysteriös, dass Anschläge so selten vorkamen.
Als er zum Flugplatz kam, ließen ihn die Sicherheitsleute nur widerwillig herein. Besuchsliste, Ausweispapiere, Codes und die angegebenen Telefonnummern zur doppelten Kontrolle waren natürlich vollkommen in Ordnung. Vermutlich lag es an seinen langen Haaren in Kombination mit der Tatsache, dass ausgerechnet dieser Flugplatz über ein Bereitschaftslager mit Kernwaffen verfügte – von dem die Nachbarschaft zum Glück keine Ahnung hatte.
Bis vor zwei Jahren hatte er einen leitenden Posten im Außendienst gehabt, und draußen in der englischen Gesellschaft war eine lässige Langhaarfrisur beinahe eine Garantie für absolute Unverdächtigkeit, zumindest was eine Tätigkeit im Geheimdienst Ihrer Majestät anging. Insofern war es ein gutes Zeichen, dass das militärische Wachpersonal hier am Flugplatz sogar seine militärischen und fälschungssicheren Papiere mit Misstrauen beäugte.
Zwei mürrische uniformierte Wachen brachten ihn schließlich zu einem entlegenen und mit Stacheldraht eingezäunten Gelände, das ein bisschen merkwürdig wirkte, weil hinter dem Stacheldraht nichts als ungemähter Rasen und einige verfallene und offenbar ungenutzte Holzbaracken zu sehen waren.
Das Gefangenenlager befand sich unter der Erde. Er wurde von zwei weiteren Begleitern in eine der Baracken geführt und musste noch eine Ausweiskontrolle über sich ergehen lassen. Als sie einen schweren, neu installierten Lastenfahrstuhl betraten, hatte er das Gefühl, in mehr als einer Hinsicht in die Unterwelt zu fahren.
»Verwahrabteilung 4« hätte gut als moderne Vision der Hölle herhalten können. Perfekte, saubere Korridore, starke Beleuchtung. Überwachungskameras, glänzende Stahltüren und entlegene Schmerzensschreie, lautes Brüllen und Flüche, die mögli-cherweise das bedeuteten, wofür man es halten musste, nämlich Folter. Oder es handelte sich um Tonbänder, die die Gefangenen mental beeinflussen sollten, um sie zur Zusammenarbeit zu ermuntern – eine dezente Umschreibung für eine andere Form von Folter.
Wie viele Gefangene hier unten in der Hölle gehalten wurden, konnte er nicht ermessen. Es konnten Dutzende oder Hunderte sein. Insgesamt hatte Großbritannien gegenwärtig mehr als tausend Personen auf unbestimmte Zeit und ohne richterlichen Beschluss oder auch nur einen konkreten Verdacht eingesperrt. Wer eines Nachts aus dem Bett gerissen und zur Verwahrabteilung 4 oder einer ähnlichen Anlage befördert wurde, hieß mit großer Wahrscheinlichkeit Mohammed oder Ahmed mit Vornamen und hatte höchstwahrscheinlich alle bürgerlichen Rechte verloren. Das hier war eine Militärbasis, eine Einrichtung für den Krieg und hatte mit Demokratie nichts zu tun.
Sie hatten den Gefangenen in einen etwas größeren Raum geschleppt. Er saß – oder hing vielmehr – auf einem leichten Plastikstuhl an einem kleinen quadratischen Campingtisch. Das Licht war grell und bläulich, die unangenehme Wirkung schien durchaus beabsichtigt.
»Steh auf!«, brüllte einer der Wärter, und der Gefangene nahm eine Haltung ein, die in der Verwahrabteilung 4 mit Sicherheit nicht als korrekt betrachtet wurde, da er den Rücken krümmte und sich mit einer Hand auf die Tischplatte stützte.
Webber bat darum, mit dem Gefangenen allein
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