Coq 11
gelassen zu werden. Zögernd kam man seinem Wunsch nach, und erst als die blitzende Stahltür fest verschlossen war, setzte er sich an den Tisch.
Der Gefangene sah mehr als bedauernswert aus. Sein Anblick war geradezu herzzerreißend, und wenn man bedachte, dass es sich um einen ihrer eigenen Agenten handelte, war die Situation äußerst peinlich.
»Sind Sie in der Lage, ein Gespräch zu führen?«, fragte Webber mit brüchiger Stimme. Der Gefangene hob den Kopf und versuchte, ihn durch die schmalen Schlitze unter seinen blutigen und geschwollenen Lidern anzusehen. Er gab jedoch keine Antwort, sondern machte nur eine kreisende Handbewegung, die Webber zum Weiterreden aufzufordern schien.
»Ich bin Webber, stellvertretender Leiter der Abteilung T im MI5. Und Sie müssen Mr Yussuf Ibn Sadr al-Banna, alias Abu Ghassan sein. Stimmt das?« Der Gefangene nickte, ohne zu antworten.
»Aha, Yussuf … es ist doch okay, wenn ich Sie Yussuf nenne? Ich habe zwei Fragen. Können Sie die beantworten?«
Der Gefangene wiederholte die kreisende Geste.
»Gut. Erste Frage: Für wen arbeiten Sie?«
»Für Mouna und niemand anderen als Mouna«, antwortete der Gefangene heiser.
»Ich verstehe«, fuhr Webber drängender fort. Eigentlich wollte er eine Pause machen, um für sie beide ein Glas Wasser zu holen. »Dann habe ich nur noch eine Frage. Warum haben Sie den Namen al-Banna angenommen?«
»Weil ich mit dem Miststück verwandt bin, ich meine, weil ich mit dem Miststück unglücklicherweise verwandt bin«, flüsterte sein Kollege.
Webber war erschüttert. Aber er nahm sich zusammen und bestellte Wasser. Der Gefangene trank, als habe er sehr lange kein Wasser bekommen.
»Ja, Yussuf … im Namen der Behörde bedaure ich wirklich, wie Sie hier behandelt worden sind. Ich fürchte, wir haben angedeutet, dass es günstig sein könnte, wenn man Ihnen ansähe, dass Sie hier waren. Aber das ist … furchtbar. Wirklich.«
»Wenn ich Sie wäre, würde ich mir nicht so viele Sorgen machen«, antwortete Yussuf und versuchte, seine aufgeplatzten Lippen zu einem Lächeln zu verziehen. Seine oberen Vorderzähne waren ausgeschlagen. Allein diese Schmerzen waren wahrscheinlich kaum zu ertragen.
»Webber war Ihr Name?«, fuhr er fort und betupfte mit dem Rest des kalten Trinkwassers sein wundes Gesicht. »Also, Webber, unser erstes Zusammentreffen ist ein bisschen seltsam.«
»Wir werden natürlich dafür sorgen, dass Sie schnellstens hier rauskommen. Ich bedaure noch einmal …«
»Hören Sie auf!«, unterbrach ihn Yussuf und verzog in der Absicht zu lächeln das Gesicht zu einer grotesken Grimasse.
»Ich habe schon schlimmer Prügel bezogen. Nicht nur von den Israelis, sondern auch während meiner Ausbildung. Zunächst einmal ist das hier nicht Ihre Schuld. Alle Neuen bekommen Prügel ohne Verhör. Sie nennen das Aufweichphase. Sie schlagen einen, pissen auf den Koran, äußern ihre Meinung über den Propheten, Friede sei mit ihm, und treten auch sonst als Vertreter der kämpfenden Demokratie auf.«
»Aufweichphase? Was, zum Teufel, soll das bedeuten?«
»Halten Sie den Mund und hören Sie mir zu! Es wäre gar nicht günstig, wenn man mich hier aus irgendeinem Grund anders behandelte als die anderen. Wenn da draußen jemand ahnt, woran ich arbeite, platzt die ganze Operation.«
»Ich will Sie trotzdem so schnell wie möglich hier raushaben«, wandte Webber ein. »Bei Ihrem jetzigen Aussehen wird Sie niemand für einen von uns halten.«
»Sie können sich nicht vorstellen, wie schnell die Leute hellhörig werden. Ich habe einen besseren Vorschlag. Meine Aufenthaltsgenehmigung hängt an einem Stipendium, das ich vom angloislamischen Freundschaftsbund bekomme. Dafür muss ich in der Moschee am Regent’s Park arbeiten, vor allem in der Jugendbetreuung. Meine Wohltäter wissen nicht, warum ich verschwunden bin; das ist ja auch nichts Außergewöhnliches, wenn verdächtige Personen verschwinden. Aber gebt meinen ehrenwerten und idealistischen Freunden einen kleinen Tipp, und sie veranstalten einen wahnsinnigen Medienrummel und machen den Behörden die Hölle heiß. Simsalabim, schon haben sie nach wenigen Tagen Erfolg. Meine Verletzungen sind bis dahin nicht verheilt. Ich jammere ein bisschen herum, wenn ich wieder draußen bin, und gebe mich bei Interviews verstört. Falls überhaupt jemand Interesse an Interviews hat, was ich bezweifle. Misshandelte und in ihren religiösen Gefühlen verletzte Muslime in geheimen Gefangenenlagern
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