Coq Rouge
Verbindungen zwischen den norwegischen und israelischen Sicherheitsdiensten hatten sich von der mißglückten Mordoperation der Israelis in Lillehammer nie richtig erholt, obwohl seitdem mehr als ein Jahrzehnt vergangen war), »aber in diesem Fall ist es nicht ohne Bedeutung, wie sie die Situation beurteilen. Sie sagen, sie erwarteten in der nächsten Zeit eine palästinensische Operation, aber nicht hier, sondern in Stockholm.
Ihr habt doch sicher von dem gestrigen Mord an einem schwedischen Kollegen gehört, Folkesson von der Terroristenüberwachung.«
Mathiesen sog ein paarmal energisch an seiner Zigarette und ging langsam um den Konferenztisch herum.
! »Die Schweden wiederum reden eine Menge dummes Zeug. Näslund behauptet wie üblich, mal diesen, mal jenen Verdacht zu haben, und daraus kann man keine Schlußfolgerungen ziehen. Und wir selbst haben, wie ihr wißt, keinerlei Hinweise auf die Anwesenheit palästinensischer Terroristen in Norwegen, keinerlei Hinweis außer diesem Burschen dort unten im Hotel Nobel. Und daraus sollen wir also jetzt Schlüsse ziehen. Welche Schlüsse?
Du da, wie heißt du?«
»Hestenes.«
»Also, Hestenes, welche Schlußfolgerungen?«
»Entweder ist eine ganze Truppe qualifizierter Terroristen nach Skandinavien gekommen, ohne daß wir oder die Israelis oder, na ja, die Schweden auch nur den kleinsten Hinweis erhalten haben, oder …«
Hestenes zögerte. Mathiesen drückte mit einer plötzlichen, entschlossenen Geste seine halbgerauchte Zigarette in der nächsten Kaffeetasse aus und fixierte Hestenes.
»Nun«, sagte er, »sprich weiter, Hestenes. Oder was?«
»Oder es handelt sich nur um falschen Alarm.«
»Genau das«, sagte Mathiesen und ging zur Tür, »genau das. Und wenn es sich um falschen Alarm handelt, kriegt ihr es heraus, wenn ihr darauf achtet, daß ihr diesen Hotelgast nicht noch einmal verliert oder ihm diesmal wenigstens etwas länger als drei Minuten auf den Fersen bleibt. So stehen die Dinge also«, sagte Mathiesen und drehte sich in der Tür um. »Entweder ist es gar nichts, oder es handelt sich um eine schlimmere Sache, als wir uns überhaupt vorstellen können.«
Er blieb eine Weile stumm, bevor er fortfuhr. »Seid jetzt so nett und laßt euch von diesem Scheißkerl nicht noch mal abhängen.«
Dann ging er, ohne die Tür zu schließen.
Um 11.28 Uhr löste Hestenes seinen Kollegen aus der Gruppe A ab und nahm die gleiche angenehme Position am Fenstertisch des Grand Hotel unten im Cafe ein, die er schon am Vortag eingenommen hatte. Seinen Mantel mit dem verborgenen Funksprechgerät hängte er neben sich über den Stuhl. Als er die Kaffeetasse umrührte, spürte er die Schwere seines Revolvers in der rechten Achselhöhle (Hestenes war Linkshänder). Zum erstenmal während seines Dienstes bei der Überwachungspolizei trug er eine Waffe.
Irgendwo dort oben im Hotel befand sich das Objekt. Vermutlich hatte der Mann vor zehn gefrühstückt, da der Speisesaal um diese Zeit schloß. Dann war er wieder auf sein Zimmer gegangen, wo er sich jetzt seit mehr als eineinhalb Stunden aufhielt.
Vielleicht auch nicht. Im Hotel hielt sich ja kein einziger Beamter auf. Die Kollegen vom Erkennungsdienst würden erst in zwanzig Minuten mit ihrem Gepäck ankommen. Im Augenblick spazierte das Objekt vielleicht im dritten und vierten Stock herum, wo in fünf oder sechs Stunden die israelische Delegation ihre Quartiere beziehen würde. Der Mann inspizierte die Örtlichkeiten, untersuchte die Hintertüren, erkundete, wie er das Hotel durch das Reisebüro im ersten Stock verlassen oder wieder betreten konnte. Das Hotel war merkwürdig abgeschnitten, weil im ersten Stock ein Reisebüro untergebracht war. Weder die Hoteltreppe noch der Fahrstuhl besaßen eine Verbindung mit dem Obergeschoß und dem dortigen Reisebüro.
Das war natürlich die richtige Methode, sich Einlaß zu verschaffen. Statt den Hauseingang zu nehmen - der Betreffende mußte ja davon ausgehen, daß er überwacht wurde -, drangen die Terroristen erst ins Reisebüro ein und brachten das dortige Personal zum Schweigen. Dann würden sie die Feuertür aufbrechen, die verschlossen war, wobei man sich fragen kann, wofür verschlossene Feuertüren gut sein sollen, und würden über die Hintertreppe unerwartet im zweiten oder dritten Stock ankommen. Dann wäre alles nur noch das Werk einiger Augenblicke, und während der ausbrechenden Panik würden sie sich auf dem gleichen Weg zurückziehen.
Sollte man also die
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