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Cora Historical Gold - 129 - Die Novizin

Cora Historical Gold - 129 - Die Novizin

Titel: Cora Historical Gold - 129 - Die Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betina Kran
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zu erbringen. Keusch?
    Eloise hielt inne, errötete und ließ ihre Finger sinken, als sie am sonnigen Fenster der verlassenen Kapelle saß. Vier Tugenden ohne Bedenken, eine »unsichere« und eine »äußerst fraglich.« Machte sie nun Fortschritte oder er?
    Sie war früh aufgestanden, über Bierleichen und Fässer gestiegen, die überall im Großen Saal verstreut lagen, und hatte draußen versucht, ihr Hirn zu lüften und sich und ihre Mission wieder auf den richtigen Pfad zu bringen. Als die Sonne im Osten aufging, suchte sie die Einsamkeit der verlassenen Kapelle. Welcher Ort wäre besser geeignet, sich über die Vernachlässigung ihrer heiligen Pflicht klar zu werden?
    Fromm? Nein. Geduldig? Eigentlich nicht. Ausdauernd? Absolut.
    Das machte bereits fünf Tugenden. Sie hielt die Finger hoch und sah sie prüfend an. Eine Hand voller guter Eigenschaften eines Gatten. Wie viele Tugenden brauchte denn ein guter Ehemann? Ein vernünftiger Gatte? Ein passabler Gatte? Ein Dutzend? Zwei Dutzend? Drei? Aber es gab hier mehr als nur Tugenden zu berücksichtigen. Welches Gewicht sollte man der Manneskraft, angenehmem Äußeren und breiten Schultern beimessen …?
    Eloise rutschte unruhig auf dem Fenstersims herum und verscheuchte den Gedanken.
    Was war mit Dingen wie Wortgewandtheit, Rücksichtnahme, Tischsitten und gutem Benehmen? Gute Manieren hatten auf der Liste gestanden, ganz sicher! Angestrengt versuchte sie, sich ins Gedächtnis zu rufen, wie er aß. Alles, woran sie sich erinnern konnte, war, wie seine Lippen glänzten, als er …
    Sie räusperte sich und verschränkte irritiert die Arme vor der Brust.
    Hielt er sein Wort? Beschützte er die Schwachen? Erfüllte er seine Pflichten mit Sorgfalt? War er ein Mann von Ehre? Er war gewiss ein Ehrenmann im Angesicht der Gefahr. Aber auch im Angesicht der Versuchung? Er hatte sie geküsst und sie berührt, und im Wald hatte er sie umarmt und beinahe …
    Sie rutschte von ihrem Fensterplatz und begann auf- und abzugehen, fühlte sich zunehmend beunruhigt. Nun, was war mit Ehrlichkeit? Er sagte die Wahrheit. Meistens. Schlussendlich.
    Warum musste er so schwierig und widersprüchlich sein? Warum konnte er nicht wenigstens so tun, als ob er darauf brannte, eine Braut und Herzensdame zu bekommen? Warum konnte er sich nicht – was immer seine geheimsten Gefühle sein mochten – zusammenreißen und sich von seiner besten Seite zeigen, wie es Männer taten, die einer Dame den Hof machten?
    Sie blieb urplötzlich stehen, gelähmt durch die schreckliche Erkenntnis, dass sie ihm gram war, weil er nicht um sie – beziehungsweise um ihre gute Meinung – buhlte!
    Schuldbewusst verneigte sie sich vor dem Kreuz, das im leeren Altarraum hing; dann flüchtete sie sich aus der Kapelle und in den Großen Saal zurück. Sie wollte sich um Maria Clematis kümmern und nachsehen, ob die anderen inzwischen aus ihrem Rausch erwacht waren. Doch in der Großen Halle rührte sich immer noch nichts. Die fünf Finger, an denen sie die Tugenden des Grundherrn abgezählt hatte, krümmten sich zur Faust.
    Endlich war mal wieder etwas Gutes auf Whitmore geschehen, und siehe – was für ein Unterschied! Statt eines Haufens Soldaten schnarchten im Rittersaal jetzt alle Bewohner Whitmores miteinander um die Wette! Sie stieg wieder über die Schläfer und stapfte die Treppe zu ihrer Kammer hinauf.
    Maria Clematis saß in Decken gewickelt und wärmte die Füße an einem Kohlebecken. Sie sah mit rot geränderten Augen auf und nieste, als Eloise eintrat.
    »Geht es dir besser?«
    Maria Clematis schüttelte den Kopf und lüpfte die Decken, um ihr die zerkratzten Stellen auf Armen und Hals zu zeigen. »Ich glaube … diese neue Decke hier ist voller Flöhe.«
    Das Maß war voll! Wutentbrannt hastete Eloise hinaus und hämmerte an die Kammertür des Earl. Das Haus war ein Saustall! Da lebten Hunde ja in besserer Umgebung! Als Seine Lordschaft nicht reagierte, stellte sie ihn sich im Bett und schnarchend in wohligem Rausch vor, nahm allen Mut zusammen und stürmte hinein. Das Bett – und was für ein Bett! – war leer. Sie zog sich zurück, schlug die Tür zu und marschierte nach unten, um ihn zu suchen.
    Was sie aber vor dem Wohnturm fand, war nicht etwa Lord Whitmore, sondern ein auffallend gut aussehender Edelmann mitsamt einem halben Dutzend Wachsoldaten. Er saß auf einem hohen kastanienbraunen Ross mit schmucken weißen Fesseln. Er schien überrascht, sie zu sehen, lächelte dann aber.
    »Würdet Ihr mir

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