Cora Historical Gold - 129 - Die Novizin
freundlicherweise mitteilen, wo ich den Earl finde? Ich habe Neuigkeiten für ihn.«
»Ich suche ihn auch gerade. Ich werde ihm gern die Nachricht überbringen, dass Ihr hier seid, Sir …?«
»Renfrow, Earl of Claxton«, stellte er sich vor. »Ein Nachbar.«
Sie nickte ehrerbietig. »Sehr erfreut, Mylord.«
Nur einen Ort gab es auf ganz Whitmore, der vom allgemeinen Verfall verschont geblieben war: die Pferdeställe. Dabei dürfte die Aufmerksamkeit des Earl und seine häufige Anwesenheit eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben, dachte Eloise und brach dorthin auf. Auf halbem Weg fiel ihr ein, dass der Earl of Claxton – ein Nachbar – mit Sicherheit den Rittersaal betreten würde, wo Dutzende von Trunkenbolden noch über Tisch, Bank und Fußboden verstreut lagen. Dort war es schmuddelig wie in einem Dachsbau und stank wie in einem Schweinekoben. Welch eine Schmach für den Herrn des Hauses!
Sie kam am Stallmeister und dem Ersten Pflüger vorbei, die hin und her wankten. Sie standen jetzt zwar auf den Füßen, waren aber immer noch aneinander gefesselt und schimpften vor sich hin. Als Eloise sich nach dem Earl erkundigte, deutete ein Stallbursche auf eine Tür. Als sie die Sattelkammer betrat, in der auch Zaumzeug angefertigt und repariert wurde, fand sie Seine Lordschaft, Sir Michael und Sir Simon im Gespräch mit Tad und dessen Vater. Der Junge saß auf einer Werkbank und schilderte Lord Whitmore und seinen Rittern alle Einzelheiten seiner Entführung, deren er sich entsinnen konnte.
»Ich habe die Zweige knacken hören, als sie sich anschlichen, aber bevor ich weglaufen konnte, hat mich einer gepackt. Ich habe gestrampelt und um mich geschlagen …«, der Junge demonstrierte es mit lebhaften Gesten, »aber sie haben mich niedergerissen und dann wurde es dunkel, aber mit kleinen viereckigen Löchern. Es roch wie in einem Kornsack.«
»Böse Geister«, erklärte der Earl, während er die mit Striemen überzogenen Handgelenke des Jungen hochhielt, »brauchen keine Stricke. Und auch keine Säcke.«
Die anderen nickten.
»Aber als wir dich gefunden haben, warst du nicht gefesselt«, sagte der Earl. »Wie hast du dich losgemacht?«
»Die haben mich irgendwo am Boden liegen lassen. Dann kam eine alte Hexe und hat mir den Sack vom Kopf gezogen. Hat mich richtig erschreckt … der hingen Haare aus der Nase und vom Kopf. Sie hat die Stricke durchgeschnitten und mich gepackt …«, dabei hielt er seinen eigenen Arm fest umklammert, »und mich mitgeschleift. Dann hat sie mich losgelassen und gesagt, ich soll nach Hause laufen und mich nicht umdrehen. Und dann bin ich immer weitergerannt.« Er sah seinen Vater an. »Und dann war da auf einmal das Wildschwein.«
Der Earl nickte, denn er kannte ja den Fortgang der Geschichte. »Das reicht, Tad. Du hast dich tapfer gehalten.« Er drückte die Schulter des Jungen und verabschiedete sich von ihm und dessen Vater. »Danke, Samuel.«
»Er ist wirklich entführt worden«, sagte der Earl, als die beiden verschwunden waren. »Und wurde nicht einmal, sondern zweimal gerettet.«
»Von einer Hexe?« sagte Michael schmunzelnd.
»Wohl kaum«, sagte Simon und strich sich über das Kinn. »Aber seit die anderen Kinder verschwunden sind, haben Eltern ihre Sprösslinge mit Schauermärchen von Geistern und Hexen vom Wald fern gehalten.«
»Ja, aber irgendwer hat ihn doch verschleppt. Das ist kein Schauermärchen«, dachte der Earl laut nach. »Doch warum sollte ihn jemand mitnehmen und ihn dann wie eine gerupfte Gans am Boden liegen lassen?« Er strich sich über die Schulter und zuckte zusammen, als ob ihm seine Wunde zu schaffen machte. »Vielleicht stimmt das mit der alten Frau. Er war an Händen und Füßen gefesselt … irgendwer muss ihn befreit haben. Indes bezweifele ich, dass das eine Hexe war. Der Junge hatte solche Angst, als wir ihn fanden, dass er mich glatt für den schwarzen Mann gehalten hätte.« Er grinste spitzbübisch. »Gott weiß, wofür er die imposante Gestalt der frommen Schwester hielt. Für einen riesigen wütenden Raben? Oder eine große hackende Krähe?« Die anderen lachten.
»Vielleicht für eine Sendbotin?« ließ sie ihre Stimme ertönen.
Alle fuhren zusammen und sahen sich nach ihr um.
»Eine Überbringerin schlechter Nachrichten«, lautete Eloises nächster Vorschlag. »Ihr habt Besuch bekommen, Euer Lordschaft. Ein Nachbar. Der Earl of Claxton. Er wartet im Großen Saal auf Euch … mitten unter Eurer sinnlos betrunkenen und
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