Cora - MyLady 329 - Barbour, Anne - Die geheimnisvolle Schöne
gewesen, wie ihm der Mund offen stehen geblieben war, ganz so, als habe jemand ihm einen Schlag auf den Hinterkopf verpasst. Er war fast mit Windeseile davon geritten, ohne sich richtig von Gillian verabschiedet zu haben. Hatte er seine Worte bereut?
Später an diesem Nachmittag wurden ihr die Sorgen genommen. Die Geräusche eines eintreffenden Besuchers drangen zu ihr in das kleine Arbeitszimmer. Sie eilte in den Korridor und kam Widdings zuvor, der den Earl of Cordray begrüßen wollte. Seine Lordschaft gab ihm Hut und Handschuhe und schaute Gillian an, als er sie bemerkte. Einen Moment lang funkelten seine Augen im Sonnenlicht wie Smaragde. Dann senkte er die Lider, und als er Gillian wieder ansah, hatten seine Augen erneut die ihr vertraute tiefgrüne Farbe.
Absurderweise war sie froh, ihn zu sehen. Sie sagte sich, der Grund dafür sei, dass sie sich daran gewöhnt hatte, ihn beinahe täglich zu sehen, und daher seine Anwesenheit im Haus vermisst habe.
»Ich bin so froh, Sie zu sehen!« rief sie unbedacht aus.
Abrupt wandte er sich von Widdings ab, hob den Kopf und schaute sie an. Wieder erschien das beunruhigende Funkeln in seinen grünen Augen. Er kam auf sie zu.
»Gillian!« Er ergriff ihre Hände, und einen Moment lang glaubte sie, er wolle sie in seine Arme ziehen.
Vielleicht war das seine Absicht gewesen, vielleicht auch nicht. Jedenfalls blickte er zu Widdings zurück, hob Gillians Hand zum KUSS an die Lippen, ließ sie los und trat einen Schritt zurück. Widdings verließ, ehrerbietig den Hut und die Handschuhe Seiner Lordschaft haltend, still das Vestibül.
»Ich… ich nehme an«, sagte Gillian reichlich atemlos,
»dass Sie hergekommen sind, um Onkel Henry zu sehen.
Mr. Smith ist vor einer Stunde eingetroffen, und beide haben sich im Arbeitszimmer eingeschlossen.« Sie drehte sich um, weil sie Lord Cordray aus dem Vestibül begleiten wollte, doch er legte ihr die Hand auf den Arm.
»Ich kann nicht bleiben«, erwiderte er. »Ich bin auf dem Weg nach Great Shelford, um mit dem Mann zu reden, der in der nächsten Woche mit dem Bau der neuen Brücken beginnen soll. Ich bin nur hergekommen… oh, guten Tag, Mrs. Ferris.«
Tante Louisa, die herbeigeeilt war, um ihn zu begrüßen, nachdem sie von seinem Erscheinen Kenntnis erhalten hatte, ließ sich wie üblich von ihm umarmen. »Wie reizend, Sie wieder zu sehen, mein lieber Junge!« rief sie aus. »Wie früh Sie schon auf den Beinen sind! Wir haben Sie vermisst. Mein Bruder und Mr. Smith sitzen schon einige Zeit bei der Arbeit. Sie…«
»Ich habe soeben Gill… Miss Tate erklärt, dass ich fortmuss. Ich bin nur hergekommen, um Sie alle zu einer kleinen Abendgesellschaft einzuladen, die ich in einigen Tagen geben will. Mehr noch, ich hoffe, dass Sie bei mir als die Dame des Hauses fungieren werden, meine Teuerste.«
Vor Zufriedenheit errötete Tante Louisa. »Oh, natürlich, Lord Cordray. Ich bin entzückt. Gibt es irgendetwas, das ich tun kann, um Ihnen bei den Vorbereitungen für die Gesellschaft zu helfen?«
Er lächelte verlegen. »Ich bin froh über Ihr Angebot, denn ich wüsste es sehr zu schätzen, wenn Sie mit Mrs.
Moresby die Gästeliste und das Menü besprechen. Ich denke daran, die Gesellschaft Donnerstag in einer Woche zu geben. Reicht das zeitlich? Was meinen Sie?
Ich möchte sie nicht sehr viel später veranstalten, weil ich nach London zurückmuss.«
Tante Louisa machte ein langes Gesicht. »So schnell?«
Sie seufzte. »Ich nehme an, das war zu erwarten. Ich bin sicher, Sie haben in Ihrer Abwesenheit viele Verpflichtungen nicht erfüllen können. Aber wir werden Sie vermissen, Lord Cordray.«
»Und ich werde Sie vermissen«, erwiderte er freundlich. »Sie alle«, fügte er hinzu, wenngleich er den Blick fest auf Tante Louisas Gesicht gerichtet hielt.
»Zehn Tage reichen hin«, bemerkte sie nach kurzem Nachdenken. »Ich könnte mir vorstellen, dass die vorgesehenen Gäste, falls sie bereits eine Verabredung haben sollten, diese absagen werden. Ich denke, sie würden allesamt eher sterben, als die Gelegenheit zu verpassen, die Bekanntschaft mit Ihnen noch vertiefen zu können.«
Amüsiert beobachtete Gillian, wie Lord Cordray diese Schmeichelei aufnahm. Er verneigte sich nur und versprach, am nächsten oder übernächsten Tag zu einem längeren Besuch herzukommen.
Und das tat er. Schon am nächsten Tag erschien er wieder und verbrachte den Nachmittag in angeregtem Gespräch mit Sir Henry. Danach wurde er überredet, zum
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