Cora - MyLady 329 - Barbour, Anne - Die geheimnisvolle Schöne
beiläufiger Höflichkeit zu begrüßen, ehe er sich an Sir Henry wandte.
»Ich freue mich, Sie in meinem Heim willkommen heißen zu können, Sir Henry. Ich habe sehr viel Zeit bei Ihnen in Rose Cottage verbracht, doch Sie besuchen mich jetzt zum ersten Mal. Ich hoffe sehr, es wird nicht das letzte Mal sein.«
»Ja nun. In der letzten Zeit bin ich nicht sehr häufig unter die Leute gegangen. Als Frederick noch hier lebte, pflegte ich regelmäßig herzukommen. Ihr Onkel hatte eine ausgezeichnete Büchersammlung.«
Dankbar für die sich bietende Gelegenheit, erwiderte Christopher rasch: »Die Sammlung ist immer noch vorhanden, Sir Henry. Mehr noch, ich hatte gehofft, dass Sie sich anlässlich Ihres Aufenthaltes hier die Bücher noch einmal anschauen würden. Bitte«, fügte er mit dem charmantesten Lächeln hinzu, dessen er fähig war. »Ich hoffe, Sie betrachten meine Sammlung als Ihre.«
Er tauschte einen bedeutungsvollen Blick mit Miss Tate, der ihr zu verstehen geben sollte, dass er den Plan bereits ausgeführt hatte. Früher am Nachmittag hatte er den Leitfaden für Tachygraphie von Shelton an einer unübersehbaren Stelle in der Bibliothek hingestellt.
»Hm!« äußerte Sir Henry. »Ich habe jedes Buch in der Bibliothek gelesen, und das mehr als einmal. Ich muss jedoch sagen, dass es mich nicht stören würde, die Bekanntschaft mit einigen der Bücher zu erneuern. Wie ich mich erinnere, besaß Frederick mehrere kritische Ausgaben der Verse der Hofgenies, wie man sie nannte. Rochester, Sir Charles Sedley, der Earl of Dorset und dieser ganze Haufen. Vielleicht nach dem Dinner.«
Fast hätte Christopher sich vor Zufriedenheit die Hände gerieben. Er hatte diese Werke ausgesucht, weil es am wahrscheinlichsten war, dass Sir Henry sie auswählen würde, und das Buch von Shelton dazwischen hingestellt.
Innerlich seufzte er vor Erleichterung. Es sah ganz so aus, als würde alles sich entwickeln, wie Miss Tate und er das geplant hatten. Er fing einen Blick von ihr auf und zwinkerte ihr zu. Er wurde mit einem Lächeln belohnt, das so bezaubernd verschmitzt war, dass er vor Sehnsucht verging und sie am liebsten in die Arme gezogen hätte.
Dann wandte die Unterhaltung sich allgemeineren Themen zu, und er gratulierte Mrs. Ferris zu den Arrangements, die sie für das Fest getroffen hatte. Immer wieder flog sein Blick zu Miss Tate. Sie schien sich dessen bewusst zu sein, denn eine zarte Röte überzog ihre Wangen, und nach einigen Minuten wandte sie sich ab. Sie unterhielt sich mit einer der jungen Frauen, die mit ihren Müttern den Earl weiterhin umkreisten wie Füchse ein Osterlamm.
Erst beim Dinner konnte er innerlich aufatmen, denn Sir Septimus saß rechts von ihm und dessen Frau zu seiner Linken. Die beiden Sprösslinge waren weiter unten an der Tafel platziert worden und verbrachten den größten Teil des Abendessens damit, sich weit über den Tisch zu beugen und Christopher in eine Unterhaltung zu verwickeln. Dabei klimperten sie geziert mit den künstlich gekrümmten Wimpern.
Mrs. Ferris saß am Ende des Tisches, und Gillian, die den Platz neben ihr innehatte, beobachtete von dort das Geschehen an der Stirnseite der Tafel.
Christopher hob den Kopf, als habe sie die Hand ausgestreckt, um ihn zu berühren, fing ihren Blick auf und erwiderte ihn belustigt. Aus seinen Augen sprach jedoch auch ein Hauch von Besorgnis. Beinahe hätte Gillian laut aufgelacht. Beim Anblick des Earl, der in dem Meer weiblicher Koketterie fast ertrank, empfand sie einen gänzlich unvernünftigen Anflug von Heiterkeit. Sie begriff indes bald, dass er die Belagerung nicht genoss. Jetzt jedoch, als sie ihn den Blick auf die beiden Misses Babbacombe richten sah, schwand ihr Lächeln. Horatia, die ältere der Schwestern, war mehr als nur unansehnlich. Die achtzehnjährige Eleanor war hingegen unleugbar attraktiv.
Sie war klein und lebhaft, hatte hübsche kastanienbraune Locken und glänzende blaue Augen. Sie flirtete unerhört unter Einsatz ihrer dichten Wimpern und kicherte über jeden von Lord Cordrays Scherzen.
Ein Mann, der so alt und so erfahren war wie der Earl, würde sich doch gewiss nicht in den Netzen eines Mädchens verstricken, das noch nicht einmal richtig erwachsen war. In jedem Fall war für ihn vorgesehen, dass er die schreckliche Corisande Brant ehelichen sollte. Aber er wollte die Kindheitsfreundin nicht heiraten. Er hatte sich mit dem Gedanken abgefunden, einer Vermählung zustimmen zu müssen, und suchte vielleicht
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