Corbins 01 - Wer Das Paradies Nur Finden Will ...
Haus«, erwiderte sie
kühl. »Wie wir es vereinbart haben.«
»Wie Sie wünschen.« Royce zuckte die
Schultern.
Sie hatten Water Street mittlerweile
hinter sich gelassen, sah Banner. Im dichten Schneegestöber erkannte sie jetzt
einen Kolonialwarenladen, eine Bank und ein imposantes Backsteingebäude.
Um einer weiteren Unterhaltung aus
dem Weg zu gehen, hüllte sie sich in ihr Cape und schloß die Augen.
Es war eine übereilte, tollkühne
Entscheidung gewesen, auf Royces Behauptung hin, seine Stadt brauche einen
Arzt, eine derart weite Reise anzutreten. Aber Banners Verzweiflung hatte ihr
keine andere Wahl gelassen, denn knapp zwei Stunden bevor Royce ihre kleine
Praxis betreten hatte, war ihr bei einem Patientenbesuch am Hafen Sean
begegnet.
Das Angebot, eine Praxis in Port
Hastings zu übernehmen, war Banner in jenem Augenblick wie eine Gottesgabe
erschienen.
Dr. Hendersons Haus, das im Moment
leerstand, weil er bis zu seiner Genesung bei seiner Schwester lebte, war ein
robustes Backsteingebäude. Es lag in einem blühenden kleinen Garten und war
von einem schmiedeeisernen Zaun umgeben.
In einem der Fenster brannte Licht,
und Rauch kräuselte sich aus dem Schornstein. Der Geruch erweckte ein behagliches
Gefühl in Banner, genau wie das freundliche Lächeln der jungen Indianerin, die
sie an der Tür empfing.
»Wo ist der Mann?« wollte sie wissen
und schaute an Banner und Mr. Royce vorbei auf den Kutscher, der das Gepäck
ausräumte.
An solche Fragen gewöhnt, lächelte
Banner nur und trat an der Frau vorbei ins Haus. Es war zwar nur karg möbliert,
doch das Wenige blitzte vor Sauberkeit. Neben dem Kamin im Wohnzimmer stand ein
Tablett mit Tee.
»Ich habe keinen Mann«, antwortete
Banner, während sie Umhang und Hut ablegte und die Handschuhe auszog. »Ich bin
Dr. Banner O'Brien. Wie heißen Sie?«
Die Indianerin starrte Banner mit
großen Augen an, bevor sie antwortete, sie werde Jenny Lind genannt.
Nun war es Banner, die ein
verblüfftes Gesicht machte. »Jenny Lind?« wiederholte sie ungläubig.
Royce lachte. »Jennys richtiger Name
ist unaussprechbar, deshalb haben wir ihr einen gegeben, den jeder versteht.«
Banner nickte stumm und schenkte
sich von dem Tee ein, den die Namensschwester der weltbekannten Sängerin
zubereitet hatte. Es ist traurig, dachte Banner, daß der weiße Mann den
Indianern nicht nur ihr Land, sondern auch ihre Namen genommen hat.
Royce warf Jenny einen argwöhnischen
Blick zu. »Was machst du überhaupt hier? Das ist kein ...«
Jenny trat näher zu Banner, als
spürte sie deren mitleidigen Gedanken. »Haus war sehr schmutzig«, sagte sie
leise.
Royce verzichtete auf eine
Entgegnung, was ihm sichtbar schwerfiel, und verabschiedete sich kurz darauf.
Jenny schien erleichtert, und Banner
gähnte und streckte sich in einem bequemen Sessel aus, um ihren Tee zu trinken
und das Kaminfeuer zu genießen. Sie war völlig übermüdet, und der Schock über
Seans Erscheinen steckte ihr noch immer in den Knochen.
Jenny trat hinter sie und strich
über Banners Haar. »Dr. Feuerhaar«, murmelte sie bewundernd.
Banner lebte schon fast ein Jahr im
Westen und glaubte, die Indianer inzwischen recht gut zu verstehen. Sie hatten
keinerlei Hemmungen, andere Menschen zu berühren, und es war ganz normal für
sie, ein Haus zu betreten, ohne vorher anzuklopfen. Im Gegensatz zu den meisten
anderen Leuten störte es Banner nicht.
»Arbeitest du für Dr. Henderson?«
Das Mädchen schrak zurück, als habe
es sich an Banners kupferrotem Haar verbrannt. Pures Entsetzen flackerte in
ihren braunen Augen auf, und sie schüttelte so heftig den Kopf, daß ihr
schwarzes, hüftlanges Haar in Bewegung geriet. »Nein!« antwortete sie heftig.
Banner schwieg und schaute das
Mädchen nur fragend an.
»Dr. Adam mir gesagt, saubermachen.
Sauberes Haus gut.«
Banner erschrak. »Dr. Adam?«
Jennys schönes Haar glänzte im
Schein des Feuers, als sie nickte.
»Ist das der Mann, der Dr. Henderson
verwundet hat?« Jenny senkte den Kopf und preßte die Lippen zusammen. »Ja«,
gab sie dann zu. »Aber ...«
Im gleichen Augenblick drang ein
kalter Luftzug in den Raum und ließ das kleine Feuer im Kamin aufflackern. Die
Anwesenheit einer dritten Person war spürbar, und als Banner sich umschaute,
entdeckte sie einen großen, dunkelhaarigen Mann um die Dreißig, dessen blaue
Augen Jenny lächelnd betrachteten.
»Du hast es versprochen«, sagte er
gedehnt und verschränkte die Arme vor der Brust.
Jennys braune
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