Corbins 01 - Wer Das Paradies Nur Finden Will ...
frische Luft ein.
Adam wartete unten an der Treppe. In
seinem Blick las Banner den gleichen hilflosen Schmerz, den sie fühlte.
Sie trafen sich auf der
Treppenmitte, aber Banner konnte nichts sagen. Sie hielt sich die Hand vor den
Mund, würgte und rannte die restlichen Stufen hinunter, um sich zu übergeben.
Adam hielt ein weißes Taschentuch
bereit, als ihre Übelkeit nachließ. »Krebs?« fragte er in schulmeisterhaftem
Ton.
Banner schüttelte den Kopf und
reinigte ihren Mund mit einer Handvoll frischem Schnee. Erst dann antwortete
sie. »Diabetis«, und es klang fast wie ein Schluchzen. »Ihre Brust — der
Wundbrand hat sie völlig zerstört . .«
Respekt vermischte sich mit dem
Mitleid in Adams blauen Augen. »Ich weiß.«
»Woher?« krächzte Banner. »Woher
können Sie das wissen, wenn sie sich nicht von Ihnen untersuchen läßt?« »Der
Geruch.«
Banner nickte abwesend. »Sie muß ins
Krankenhaus.« »Ja.« Adam schaute zum schneeverhangenen Himmel auf. »Aber ...«
»Aber ihr Fitz erlaubt es nicht. Ist
es das?«
»Genau. Er ist überzeugt, daß ich
Hildie nur in die Klinik bringen will, um meine Gelüste an ihr zu befriedigen.«
Banners Empörung war so groß, daß
sie glaubte, daran ersticken zu müssen. In Portland hatte sie einiges an Ignoranz
erlebt, aber das hier war kaum noch zu überbieten. »Sie wird sterben.«
»Ich weiß.«
»Und sie muß wahnsinnige Schmerzen
haben.« Adam nickte nur, doch die starre Haltung seiner Schultern und seine
fest zusammengepreßten Lippen verrieten, wie hilflos er sich fühlte.
Und da liefen Hildies Jungen lachend
um die Ecke, bewarfen sich mit Schneebällen und schienen für einen Moment die
triste Atmosphäre in ihrem Heim vergessen zu haben.
»Was wird aus den beiden werden?«
flüsterte Banner.
Adam seufzte. »Das weiß der liebe
Gott. Im Moment ist Hildie meine größte Sorge. Ich werde heute abend noch
einmal mit Fitz sprechen und versuchen, ihn zu überreden, sie in meine Klinik
zu bringen.«
Banner hatte nicht einmal zu träumen
gewagt, daß es ein Krankenhaus in Port Hastings gab.
Adam lächelte. Wieder schien er ihre
Gedanken erraten zu haben. »Möchten Sie meine Klinik sehen, O'Brien?« »Ihre Klinik?«
Er nickte. »Da ich sie selber führe,
neige ich dazu, sie als meine Klinik zu betrachten.«
»Ganz allein?« fragte Banner
fassungslos.
Adams sah sie lange an. »Eine andere
Wahl hatte ich leider nicht« entgegnete er. »Henderson ist der einzige andere
Arzt im Umkreis von fünfundzwanzig Meilen, und diesen Schlächter würde ich
nicht einmal an meine Pferde heranlassen, geschweige denn an meine Patienten. So,
und jetzt gehe ich Ihren Arztkoffer und Ihren Umhang holen.«
Damit ließ er Banner stehen und ging
in Hildies Wohnung zurück. Einer der kleinen Jungen näherte sich Banner und
knabberte hingebungsvoll an dem Streifen Trockenfleisch, das Adam für die Kinder
gekauft hatte. »Sie haben ja richtig rotes Haar, Miss!« staunte er.
Bevor Banner etwas erwidern konnte,
erschien Adam mit ihren Sachen.
Zwei
Es war ein steiler Weg von Port
Hastings zu Adams Klinik — so steil, daß Banner mehrmals vor Angst den Atem
anhielt. Um sich davon abzulenken, betrachtete sie die Häuser, an denen sie
vorbeifuhren.
Es waren imposante Villen mit
gepflegten Gärten und hohen Zäunen. Auf der Hügelkuppe erhob sich ein elegantes,
zweistöckiges Haus mit mehreren Schornsteinen und Dutzenden von Fenstern. Eine
Seite des Hauses war ganz mit Efeu bewachsen, an der anderen zog sich ein
langgestreckter einstöckiger Anbau hin.
»Das ist Ihre Klinik?« fragte Banner
verblüfft, als Adam das Pferd auf das Kopfsteinpflaster der Einfahrt lenkte.
»Es ist mein Haus«, erwiderte er.
»Oder besser gesagt, das Haus meiner Mutter. Im rechten Flügel sind die Klinik,
meine Praxis und all das.«
Banner war beeindruckt. »Es ist
riesengroß«, sagte sie bewundernd. Ob eine Frau hinter diesen Mauern lebte eine
Frau, die Adams Ring am Finger trug? Darüber hatte sie vorher nicht
nachgedacht, und jetzt empfand sie den Gedanken als ausgesprochen störend. »Sie
haben sicher viele Kinder«, vermutete sie.
Adam lachte kurz, zog die Zügel und
ließ das Pferd vor einer Steinveranda halten, die zu mehreren massiven Türen
mit Bronzegriffen führte. »Nichts wäre mir lieber«, antwortete er. »Aber der
Anstand verlangt, daß ich mir vorher eine Frau suche.«
Die Erleichterung, die Banner
überfiel, war so groß, daß ihr der Atem stockte und sie errötete. »Ist
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