Corbins 03 - Wer dem Zauber der Liebe verfaellt...
und wußte, daß ihr nichts anderes übrigblieb, als ihm zü gehorchen, so
unpassend es auch sein mochte. Ihr war eiskalt, es regnete noch immer, und es
war ein weiter Weg nach Simpkinsville und zum Gästehaus ihrer Tante. Sie konnte
sich eine schlimme Grippe oder vielleicht sogar eine Lungenentzündung holen,
wenn sie keine trockenen Sachen anzog und sich eine Weile am Feuer wärmte.
Der Teufel soll ihn holen, dachte
sie, als sie sich schließlich mühsam aufrichtete und ins Innere des Wagens
ging. Als sie die Tür zuschlug, hörte sie Joel Shiloh lachen.
Die Hose und das Hemd waren viel zu
weit und viel zu groß, und Tess war froh, daß sie wenigstens ihre eigenen
Schuhe und Strümpfe anziehen konnte. Sie war schon auf dem Weg zur Tür, als ihr
Blick auf eine abgenutzte Bibel fiel. Sie lag offen auf dem ungemachten Bett,
und Tess nahm sie — aus Gründen, die sie sich selber nicht erklären konnte —
in die Hand. Einige Passagen waren unterstrichen, die Seiten vom häufigen
Anfassen abgegriffen und verschmutzt. Wieso las ein Mann mit einer derart
offensichtlichen Abneigung gegen Gott die Bibel?
Tess klappte sie stirnrunzelnd zu
und sah erst dann den in goldenen Buchstaben eingravierten Namen auf der
Lederhülle. Keith Corbin. Keith Corbin?
Sie legte die Bibel an ihren Platz
zurück und schlug sie an der gleichen Stelle auf, wo er zuletzt gelesen zu
haben schien. Dann ging sie nachdenklich zur Wagentür. Warum schleppte der
Hausierer eine Bibel mit dem Namen eines anderen Mannes mit sich herum?
Der Name Corbin kam ihr bekannt vor.
Wo hatte sie ihn bloß gehört?
Tess erschrak, als sie Mister Shiloh
direkt vor der Wagentür entdeckte, und machte ein schuldbewußtes Gesicht. Ob er
von ihrer Herumschnüffelei etwas ahnte?
Er betrachtete sie mit belustigter
Bewunderung, dann streckte er die Arme aus, um sie vom Wagen zu heben. Seine
Hände schienen einen Moment länger als nötig auf ihrer Taille zu verweilen —
aber vielleicht bildete sie sich das nur ein.
»Das Feuer brennt, und der Kaffee
ist auch gleich fertig. Seien Sie vorsichtig. Die Becher sind aus Metall und
werden sehr heiß.«
Dann schob er sich an ihr vorbei,
kletterte auf den Wagen und schloß die Tür. Tess rührte sich nicht, bis sie
eine Schublade sich öffnen und schließen hörte und wußte, daß auch er sich
umzog. Erneut schoß ihr die Röte ins Gesicht, und sie lief hastig zum
Lagerfeuer.
Dort wärmte sie ihre kalten Hände
und schüttelte ihr feuchtes Haar, um es zu trocknen. Zum ersten Mal fiel ihr
jetzt auf, daß ganz in der Nähe ein Maulesel graste. Als nähme auch er Tess'
Anwesenheit nun erst zur Kenntnis, warf er ihr einen vorwurfsvollen Blick zu
und wieherte schrill.
»Du armes Tier«, murmelte sie und
ging auf den Esel zu, aber Joel Shilohs Erscheinen ließ sie in der Bewegung
verharren. Er trug saubere, frische Kleider und fuhr sich mit der Hand durchs
Haar, um es zu glätten.
Tess überlegte geistesabwesend, ob
sein Haar braun war wie ihr eigenes, blond oder eine Mischung beider Farben. Es
war schwer zu sagen, naß, wie es war, aber eins stand fest: Es war viel zu
lang.
Er kam zu ihr ans Feuer, bückte sich
nach der Kaffeekanne und füllte die beiden bereitgestellten Becher. Einen
davon reichte er Tess, ohne sich aus der Hocke aufzurichten.
Sie nahm den Kaffee, wobei ihr fast
die viel zu weite Hose aus der Hand gerutscht wäre. »Warum lassen Sie das arme
Tier im Regen stehen?« erkundigte sie sich vorwurfsvoll und blickte zu dem
Esel hin.
Joel Shiloh trank einen Schluck von
seinem Kaffee und ließ sich so viel Zeit dabei, daß Tess den Eindruck hatte, er
versuchte, ein Lächeln zu verbergen. Schließlich antwortete er: »Das letzte
Mal habe ich ihn mit in den Wagen genommen, aber er beklagte sich, das Bett
wäre zu schmal für uns beide.«
Tess senkte den Kopf und verkniff
sich ein Lächeln. Mister Shiloh seufzte philosophisch und nippte an seinem
Kaffee.
»Warum haben Sie mit einer Schüssel
und der Kaffeekanne nach Gott geworfen, Mister... Mister Shiloh?«
Als er merkte, wie sie zögerte,
seinen Namen auszusprechen, warf er ihr einen scharfen Blick zu. Langsam stand
er auf. »Ich glaube, das geht Sie nichts an, Miss Bishop«, sagte er kalt.
Tess war so betroffen, als hätte er
sie geschlagen, und spürte, wie sie blaß wurde. »Es ... tut mir leid. Sie ...
Sie haben recht ...«
Er wirkte plötzlich abweisend. Und
ziemlich unglücklich. »Trinken Sie Ihren Kaffee aus«, sagte er barsch. »Dann
schirre ich den
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