Corbins 04 - Wer den Weg des Herzens folgt...
aus, als hättest du Probleme«,
bemerkte eine vertraute Stimme.
Sie gehörte Mitch Williams, stellte
Quinn aufschauend fest, seinem Anwalt und besten Freund. Mit seinem blonden
Haar und den auffallend blauen Augen war Mitch bei Frauen beliebt und bei
Männern als fairer Gegner bekannt. Quinn war so überrascht, ihn zu sehen, daß
er sich fast an seinem Whiskey verschluckte. »Was machst du denn hier?«
»Ich fahre nach Seattle — genau wie
du.«
Quinn atmete tief auf. »Dann hast du
sie also gesehen?«
Mitch grinste und hielt seine Hand
in Brusthöhe. »Die kleine Elfe mit den blauen Augen?«
Quinn nickte.
»Nein, ich habe sie nicht gesehen«, sagte
Mitch und lachte über den verdrossenen Gesichtsausdruck seines Freundes. Dann
fragte er geduldig: »Wer ist sie?«
Quinn schluckte. »Meine Frau.«
»Deine was?« wiederholte
Mitch verdutzt.
»Du hast es gehört«, sagte Quinn
bedrückt. »Zwing mich nicht, es noch einmal zu wiederholen.«
»Du hast diese Frau geheiratet?«
Wieder nickte Quinn.
»Aber warum denn?« fragte Mitch
empört.
»Das weiß ich selbst nicht.«
Mitch stieß einen leisen Pfiff aus.
»Gillian wird dir jeden Zahn einzeln ausreißen lassen.«
Quinn bedachte ihn mit einem
giftigen Blick und hob sein leeres Glas. Einen Moment später wurde es durch ein
volles ersetzt, und Quinn stürzte den Inhalt mit einem Schluck hinunter.
Der Anwalt beugte sich stirnrunzelnd
vor. »Was ist passiert, Quinn?« fragte er in gedämpftem Ton. »Hattest du ein
paar zuviel getrunken und hast ein Tanzmädchen geheiratet, oder was?«
Zum erstenmal in ihrer
zwanzigjährigen Bekanntschaft war Quinn versucht, seinen Freund zu schlagen.
»Sie ist kein Tanzmädchen, verdammt!« sagte er, viel zu laut, und alle Köpfe
drehten sich nach ihnen um.
»Hast du die Ehe vollzogen?« wollte
Mitch wissen.
»Meinst du nicht, daß das eine etwas
zu persönliche Frage ist?« versetzte Quinn. Er spürte, wie ihm die Hitze in den
Nacken stieg und sein Kragen allmählich zu eng wurde.
Mitch zuckte die Schultern. »Das
hängt ganz von deiner Antwort ab, mein Freund«, erwiderte er kühl. »Falls du
die Heirat bedauerst und dir bisher keine Freiheiten herausgenommen hast, kann
die Ehe annulliert werden.«
»Annulliert?« wiederholte Quinn
verständnislos. Auf einen solchen Ausweg wäre er trotz seiner Zweifel nie
gekommen.
Mitch nickte.
»Nein!« sagte Quinn empört.
Ein vielsagendes Grinsen erschien
auf Mitchs Gesicht. »Das sieht mir nach einer echten Verwicklung aus. Was zum
Teufel wird hier eigentlich gespielt?«
»Es fing alles in Port Hastings an«,
begann Quinn zögernd, und Mitchs Verblüffung wurde immer größer, je weiter die
Erzählung fortschritt. Zum Schluß stieß er einen derben Fluch aus.
»Also hast du die kleine Schwester
der Corbins entführt und sie ihres Geldes wegen geheiratet?« Mitch brach ab,
schüttelte verwundert den Kopf und lachte. »Entweder bist du dümmer, als ich
dachte, oder der tapferste Mann, der mir je begegnet ist.«
Quinn beugte sich vor und maß seinen
Freund mit einem ärgerlichen Blick. »Kennst du ihre Brüder?«
»Ja«, gab Mitch zu. »Du scheinst
vergessen zu haben, daß ich in Port Hastings aufgewachsen bin.«
Quinn rieb sich sein schon etwas
rauhes Kinn. Er brauchte ein Bad, eine Rasur und eine gute Mahlzeit.
Und Melissa .
Bevor er etwas auf Mitchs Bemerkung
erwidern konnte, entstand Bewegung im Hintergrund des Waggons, gefolgt von
diskretem Hüsteln. Quinn drehte sich um, von bösen Vorahnungen erfüllt, und
tatsächlich da stand Melissa in diesem unmöglichen Kleid und wedelte mit der
Hand den Rauch beiseite.
Quinn fluchte unterdrückt, während
Mitch lachte. »Oh, Mister Rafferty!« rief Melissa entzückt, als sie ihn
erblickte. »Mister Rafferty!«
Quinn sprang auf, stürmte zu Melissa
hinüber und zog sie am Arm in den nächsten Waggon, wo einige Gäste noch beim
Mittagessen saßen.
Sie schaute ihn aus großen Augen an.
»Habe ich etwas falsch gemacht?«
Erst jetzt merkte Quinn, wie fest er
ihren Arm umklammert hielt und lockerte seinen Griff ein wenig. Trotz seines
Ärgers wollte er Melissa nicht verletzen. Niemals. »Frauen ist der Zutritt zum
Clubwagen nicht gestattet«, flüsterte er ihr zu.
»Oh, das hatte ich vergessen«,
erwiderte sie und strahlte wie ein Kind vor einem Weihnachtsbaum. Der leise
Alkoholgeruch, der von ihr ausging, verriet Quinn, daß sie ihren Mut während
seiner Abwesenheit mit seinem Brandy gestärkt hatte. »Aber es ist ja
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