Corbins 04 - Wer den Weg des Herzens folgt...
näher zu betrachten, weil
Quinn sie gleich ins Haus zog.
Eine zierliche weißhaarige Frau in
einem strengen dunklen Kleid stand wartend in der Halle.
»Mrs. Wright«, sagte Quinn ruhig,
»das ist meine Frau.«
Mrs. Wright nahm den Zustand von
Melissas Haar und ihrem Kleid mit kaum verhohlenem Entsetzen zur Kenntnis,
machte jedoch einen Knicks und sagte höflich: »Herzlich willkommen, Mrs.
Rafferty.«
Melissa nickte der Haushälterin zu.
»Mrs. Wright.«
Dann, ohne ihr einen Blick auf die
Zimmer im Erdgeschoß zu gestatten, zog Quinn seine Frau auf die geschwungene
Treppe zu, die in den ersten Stock führte. Dort schob er Melissa in ein
geräumiges Zimmer mit einem reichgeschnitzten Bett aus Teakholz, das breiter
war als alle Betten, die Melissa je gesehen hatte. Die übrige Einrichtung
bestand aus zwei großen Kleiderschränken, einem Schreibtisch, einem Kamin, vor
dem zwei Sessel und eine breite Couch standen, und einen Barschrank am Fenster.
Die andere Tür auf der gegen überliegenden Seite des Zimmers schien in ein
angrenzendes Bad zu führen. Melissa begriff sehr schnell. »Das ist dein
Zimmer«, sagte sie und verschränkte die Arme vor der Brust.
Quinn war schon dabei, sich einen
Drink einzuschenken. »Genau, Mrs. Rafferty«, sagte er nach dem ersten Schluck
und hob in einer spöttischen Geste sein Glas.
»Wir waren uns einig ...«
»Ich weiß, was wir vereinbart
hatten«, fiel Quinn ihr ins Wort und trank einen weiteren Schluck Brandy, bevor
er fortfuhr: »Aber als wir dieses Abkommen trafen, Mrs. Rafferty, hattest du
noch keine Einwände gegen eine Mätresse erhoben.«
Melissa unterdrückte den Impuls, mit
dem Fuß aufzustampfen. Nimm dich zusammen, dachte sie warnend. Du mußt dich
beherrschen lernen. »Das hättest du dir denken können. Schließlich habe ich dir
erzählt, warum ich Ajax verließ ...«
Quinn spreizte die Hände. »Es ist
keine Liebesehe, Melissa, das wissen wir beide.« Hinter ihm, durch die großen
Fenster, brachen sich rotgoldene Sonnenstrahlen auf den nackten Ästen einiger
großer Bäume. »Warum interessiert es dich also, was ich tue?«
Melissas Unterlippe zitterte. Sie
war müde, hungrig und fühlte sich nicht wohl, und nun zwang Quinn sie zu dieser
unerquicklichen Unterhaltung! »Ich lasse mich nicht beschämen, Quinn Rafferty«,
entgegnete sie scharf. »Ich lasse mir nicht nachsagen, ich könnte meinen Mann
nicht halten.«
Er lächelte und schenkte sich noch
mehr Brandy ein. »Ah, dann ist es also Stolz, was dich zu deinem Verhalten
veranlaßt. Das hätte ich mir denken sollen.« Er machte eine Pause und deutete
auf das große Bett, auf dem eine Decke aus schimmerndem weichen Nerz lag. »Es
liegt ganz bei dir, meine Liebe. Die Wahl ist dein.«
Melissa verstand, daß er ihr Treue
anbot im Austausch gegen die Rechte, die zu verweigern sie sich geschworen
hatte, und errötete heiß. »Du weißt, was wir vereinbart haben!«
»Heute nachmittag hättest du nichts
dagegen gehabt«,
erinnerte Quinn sie anzüglich.
Melissas lebhafte Phantasie
spiegelte ihr vor, wie es sein würde, nackt mit Quinn auf dieser Felldecke zu
liegen, und eine verräterische Hitzewelle ging durch ihren Körper und
schwächte ihre Glieder. Doch inzwischen fühlte sie sich nicht mehr dreist
genug, ihre Phantasie in Realität umzusetzen. Sie brauchte Zeit und einen
besseren Einblick in Quinns Charakter. »Ich habe es mir eben anders überlegt«,
entgegnete sie lahm.
»Schade«, versetzte Quinn mit einem
prüfenden Blick auf ihren Körper. Nach dieser Inspektion, die Melissa als süße
Qual empfand, schien er das Interesse zu verlieren, wandte sich ab und stellte
das leere Glas ab. »Ich habe einiges zu erledigen, Mrs. Rafferty. Fühl dich
ganz wie zu Hause. Du kannst übrigens gern die Badewanne benutzen.«
Nach diesen Worten — und ohne sie
eines weiteren Blickes zu würdigen — ging Quinn hinaus.
Melissa war verwirrt und zornig,
aber auch todmüde, und beschloß daher, ihr Alleinsein auszunutzen, um ein Bad
zu nehmen. Aber vorher schloß sie die Zimmertür ab.
Die Badewanne, die aus feinstem
schwarzen Marmor und groß genug zum Schwimmen war, beeindruckte sogar Melissa,
die sich für derartigen Luxus durchaus begeistern konnte.
Sie verbrachte fast eine Stunde in
dem heißen Wasser und verließ die Wanne in angenehm träger, schläfriger
Stimmung. Sie hatte sich gerade in ein großes Badetuch gewickelt, als es an der
Tür klopfte.
»Wer ist da?« rief
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