Corbins 04 - Wer den Weg des Herzens folgt...
Melissa
fröstelnd, da es nicht sehr warm im Zimmer war.
»Mrs. Wright. Ich habe Ihnen Ihr
Essen gebracht.«
Es war Stunden her, seit Melissa
etwas gegessen hatte, deshalb schloß sie auf und lief rasch ins Bad zurück, um
sich der Haushälterin nicht in ihrem unbekleideten Zustand zu zeigen.
Sie hörte, wie ein Servierwagen
hereingerollt wurde, und ihr Magen begann erwartungsvoll zu knurren.
»Alles in Ordnung, Mrs. Rafferty?«
rief die Haushälterin. Ihre Stimme klang aufrichtig besorgt.
»Ja«, erwiderte Melissa und kam sich
ein bißchen albern vor. »Ich habe nur leider keinen Bademantel.«
Einen Moment später reichte Mrs.
Wright Melissa ein Negligé aus gerüschtem rosa Taft durch die Tür. »Hier, meine
Liebe«, sagte sie freundlich.
Als Melissa in dem bezaubernden
Kleidungsstück herauskam, hatte Mrs. Wright schon den Tisch für sie gedeckt
und ein Feuer im Kamin angezündet.
»Danke, daß Sie mir den Morgenmantel
geliehen haben«, sagte Melissa mit einem sehnsüchtigen Blick auf das Essen auf
dem Tisch.
Mrs. Wright lachte.
»Keine Ursache, Mrs. Rafferty. Aber
eigentlich gehört er gar nicht mir.«
Melissa setzte sich um zu essen.
»Mrs. Wright, ich habe einen langen, anstrengenden Tag hinter mir. Erzählen Sie
mir bitte nicht, daß mein Mann abends rosa Taftnegligés zu tragen pflegt.«
Wieder lachte die alte Dame. »Nein,
Madam, das tut er sicher nicht. Zu dieser Sorte gehört er nicht.«
Melissa beschloß, daß Thema
fallenzulassen, bevor sie sich Gedanken darüber machen konnte, ob das Negligé
vielleicht von Gillian stammte. »Das Roastbeef ist ganz köstlich.«
Mrs. Wright nickte. »Danke«, sagte
sie höflich und ging, nachdem sie sich vergewissert hatte, daß Mrs. Rafferty
nichts anderes mehr brauchte.
Melissa kam sich nun sehr einsam
vor. Sie fragte sich, wo Quinn sein mochte, was er machte, aber dann kam sie zu
dem Schluß, daß es besser war, nicht an ihn zu denken.
Nach dem Essen setzte sie sich eine
Weile ans Feuer, aber bald schon wurde ihre Müdigkeit so stark, daß sie
zwischen Quinns seidene Laken schlüpfte und innerhalb weniger Minuten
eingeschlafen war.
Am nächsten Morgen stellte sie
erleichtert und mit einigem Bedauern fest, daß sie allein in dem großen Bett
geschlafen hatte. Verschlafen richtete sie sich auf und ging barfuß über den
weichen Teppich ins Bad.
Obwohl sie mit nassem Haar zu Bett
gegangen war, erschrak Melissa über ihren Anblick. Sie sah aus wie eine Frau,
die sie einmal auf einem Jahrmarkt gesehen hatte eine Wilde aus Borneo.
Mit einem erschreckten Ausruf nahm
sie Quinns Haarbürste und begann ihre lockige Mähne in Form zu bringen. Als
es ihr mehr oder weniger gelungen war, kehrte sie in der Hoffnung, daß Mrs.
Wright inzwischen ihr anderes Kleid heraufgebracht hatte, ins Schlafzimmer
zurück. Sie war so in Gedanken versunken, daß sie Quinn, der am Kamin saß und
Kaffee trank, erst etwas verspätet bemerkte.
»Mrs. Rafferty«, sagte er lächelnd
und hob grüßend die Kaffeetasse.
Melissa starrte auf die Tür, die sie
abends sorgfältig abgeschlossen hatte. »Wie bist du hereingekommen?«
»Ich habe den Zweitschlüssel
benutzt«, erwiderte er achselzuckend. »Es ist einfacher, als die Tür einzuschlagen.«
Melissa fragte sich besorgt, ob er
sie während der Nacht verführt haben mochte. Aber eine solche Erfahrung hätte
sie doch sicher aufgeweckt, egal, wie müde sie gewesen war ...
Quinn lachte, als könnte er Gedanken
lesen. Er muß sich rasieren, dachte Melissa abwesend; seine Kleider waren
zerknittert, und seine Augen hatten einen leicht glasigen Blick, der eine
schlaflose Nacht verriet. »Der Morgenmantel steht dir gut«, stellte er mit
heiserer Stimme fest.
Banale Worte, aber in Melissas Ohren
klangen sie wie Poesie. Ihr wurde ganz schwach zumute, und sie begann zu
zittern.
Indem sie den Morgenmantel noch
fester um ihren Körper zog, trat sie ganz unbewußt den Rückzug an. »Ich war
sehr erleichtert, als ich hörte, daß er nicht von dir benutzt wird«, sagte sie,
um das Ende der Unterhaltung dann doch hinauszuzögern.
Quinn lachte. »Hast du gut
geschlafen?«
Melissa nickte. »Wie ein Murmeltier,
Mister Rafferty.«
Quinn schüttelte den Kopf und
musterte Melissa mit einer seltsamen Zärtlichkeit. »Ich bin froh, daß wenigstens
einer von uns geschlafen hat«, sagte er. »Was hast du heute vor?«
»Zuerst muß ich mein Kleid und meine
Schuhe finden«, antwortete Melissa nüchtern, während sie sich suchend im Raum
umschaute. »In
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