Corbins 04 - Wer den Weg des Herzens folgt...
Hörner«,
murmelte Quinn. Melissa schenkte ihm eine Tasse Kaffee ein und setzte sich
neben ihn auf die Bank. »Du haßt ihn sehr, nicht wahr?« fragte sie verwundert.
»Ja.« Quinn schnappte nach Luft, als
er den ersten Schluck des starken Gebräus trank. »Ja. Sehr.«
»Warum?« Ihre kleine Hand
streichelte beruhigend seinen Rücken, und Quinn hatte plötzlich das Gefühl,
sich jemandem anvertrauen zu müssen.
»Sämtliche Erinnerungen, die ich an
diesen Mann habe, sind brutaler Art«, sagte er erstickt. »Er war immer
betrunken und hat uns immer mißhandelt, meine ...
meine Mutter am meisten. Er sorgte
dafür, daß sie ständig schwanger war — vom Tag ihrer Hochzeit bis zu ihrem
Tod. Sie war eine sehr zarte Person, und Pa machte ihr das Leben so zur Hölle,
daß sie kein einziges Kind richtig austragen konnte. Und dann verfluchte er sie
und sagte, sie habe ihn enttäuscht.«
»O Quinn«, flüsterte Melissa, ihre
Hand auf seinem steifen Nacken. »Das tut mir so schrecklich leid.« Sie stand
auf. »Komm ins Bett«, schlug sie vor, seine Hand nehmend. »Laß dich trösten.«
Quinn schüttelte den Kopf. Der
Geruch nach Whiskey — und nach Eustice Rafferty — haftete ihm an. Melissa
anzurühren, würde heißen, sie zu beschmutzen. »Nicht so«, sagte er in
gebrochenem Ton. »Falls du es nicht gemerkt hast — ich bin betrunken.«
Melissa lächelte verstehend. »Ich
bin deine Frau, Quinn, und ich verspreche dir, dich auch so zu lieben.« Quinn
mußte für einen Moment den Blick abwenden.
Als er Melissa wieder anschaute,
stand sie am Ofen und setzte Wasser auf.
»Du hast mich also verlassen«,
bemerkte Quinn.
Sie lachte. »Weit bin ich nicht
gekommen, was?« gestand sie heiter. »Aber ich sagte, ich würde nicht zu Hause
sein, und da mußte ich mein Wort ja halten.«
Quinn fragte sich, was er getan
hätte, wenn Melissa nicht erschienen wäre, um ihn aufzuhalten, und wie diese
Tat sie für immer voneinander getrennt hätte. »Ich bin froh, daß du da warst,
als ich dich brauchte«, sagte er leise.
Melissa kam zu ihm, zog ihn auf die
Beine und streifte ihm Rock und Hemd ab. Quinn wehrte sich nicht, bis sie
seinen Gürtel berührte: erst dann hielt er ihre Hände fest.
»Ich meinte, was ich sagte, Melissa.
Ich werde nicht mit dir schlafen.«
Aus großen, unschuldigen Augen
schaute sie zu ihm auf. So viele Dinge gab es, von denen sie nichts wußte:
Dinge, vor denen ihre Familie und ihre
Freunde sie bewahrt hatten. Quinn wollte sich an dieser Verschwörung
beteiligen und Melissa auch weiterhin schützen aber er wußte, daß es ein
sinnloses Vorhaben war.
»Ich glaube, du verstehst nicht«,
sagte sie in sachlichem Ton, während sie die Schüssel mit dem heißen Wasser
holte und einen Waschlappen hineintauchte.
Das Gefühl, das sie damit in ihm
erzeugte, war so tröstlich, daß Quinn keinen Protest über die Lippen brachte.
Er schloß die Augen und erlaubte seiner Frau, seine Brust, seinen Rücken und
seine Arme zu waschen.
Später konnte er sich nicht
entsinnen, wie er ins Bett gekommen war, doch plötzlich lag er unter der
weichen Felldecke, und Melissas Liebkosungen wärmten ihn noch lange, nachdem
das Wasser in der Schüssel abgekühlt war. Und als sie ihn gründlich vorbereitet
hatte, entführte sie ihn an einen Ort voll Licht und Donner und brachte ihn mit
zärtlichen Händen dazu, seine ganze Verzweiflung herauszuschreien.
Danach schlief er tief und traumlos
ein.
Melissa war schon lange vor Quinn aufgestanden, hatte sogar schon
ein halbes Kapitel geschrieben, bevor er überhaupt die Augen auftat. Als er mit
verschlafener Miene und unverständlichem Gemurmel ins Bad taumelte, schraubte
Melissa lächelnd das Tintenfaß zu.
Kurz darauf kam er zurück, umgeben
von dem scharfen Geruch nach Pfefferminz, schaute auf den Stapel Blätter auf
dem Schreibtisch und zog seine Kleider über, die Melissa für ihn zurechtgelegt
hatte. »Das Buch?« fragte er düster.
Melissa richtete sich sehr gerade
auf. »Ja.«
Quinn schüttelte den Kopf und
beschäftigte sich mit dem Anziehen seiner Stiefel, was eine beachtliche
Anstrengung zu erfordern schien. Dann, ganz plötzlich, erschien ein mutwilliges
Lächeln auf seinen Lippen.
Melissa schob den Stuhl zurück.
»Wage nicht, über mich zu lachen, Mister Rafferty!« warnte sie. »Es ist gar
nicht so einfach, sich all diese Gestalten und Geschichten auszudenken!«
Quinn lachte.
»Nein, sicher nicht. Komm, laß uns
frühstücken gehen. Ich habe einen
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