Corbins 04 - Wer den Weg des Herzens folgt...
natürlich den Einsatz. Sehr sogar.«
»Melissa würde es verstehen«,
entgegnete Quinn flach, obwohl er ihrer Reaktion alles andere als sicher war,
und das schien Eustice zu spüren. Dennoch versuchte Quinn, den alten Mann zu
täuschen. »Was Mary betrifft, so ist sie nicht begeisterter, deine Tochter zu
sein, als ich es bin. Ich gehe lieber das Risiko ein, sie zu verlieren und
Melissa auch, bevor ich mich noch einmal von dir erpressen lasse.«
Eustice war urplötzlich ernst
geworden. »Weißt du was, Junge? Du bist ein undankbarer Schuft — anscheinend
habe ich dich noch viel zu wenig geprügelt.«
Auf einmal war die Hütte von
Geistern belebt. Quinns Mutter war da, weinend und Eustice um Gnade anflehend.
Quinn hörte, wie der Gürtel seines Vaters durch die Luft zischte, und glaubte
zu spüren, wie er sich tief in seine Haut eingrub ...
Quinn sprang auf und lief hinaus, wo
er tief Luft holte und gegen den Haß kämpfte, der so tief in ihm verwurzelt
war, daß er Mordgelüste in ihm erzeugte. Vom höhnischen Gelächter seines
Vaters begleitet, band Quinn sein Pferd los, saß auf und machte sich auf den
Rückweg, als wären ihm tausend Teufel auf den Fersen.
Sechzehn
Das sonntägliche Dinner wäre eine recht
düstere Angelegenheit geworden, wenn Mary Raffertys beharrlich gute Laune
nicht gewesen wäre. Quinn war gerade von einem Ausritt zurückgekehrt und war
geistesabwesend und wortkarg. Nachdem er kaum einen Bissen zu sich genommen
hatte, entschuldigte er sich und verließ den Tisch.
Melissa ging ihm nach. »Quinn!«
flüsterte sie.
Er blieb stehen, und Melissa sah,
wie sich seine Muskeln unter dem Hemd versteiften, aber er drehte sich nicht
um. »Ich bin müde«, sagte er. »Ich gehe ins Bett.«
Es war erst kurz nach sieben. »Bist
du krank?« fragte sie besorgt.
Er lachte rauh. »So könnte man es
nennen«, erwiderte er knapp.
Melissa ließ ihn ohne ein weiteres
Wort gehen. Sie war froh, daß er sich in sein Zimmer zurückzog, statt `einen
Saloon aufzusuchen, wie es vielleicht ein anderer Mann getan hätte. Als sie ins
Eßzimmer zurückkehrte, fragte Mary ängstlich: »Was hat er? Warum ist er
gegangen?«
Miss Alice nickte Melissa
aufmunternd zu, aber die Wahrheit konnte sie nicht sagen, deshalb antwortete
sie nur: »Er hat ein paar anstrengende Tage hinter sich, Mary. Ich glaube, er
braucht nur ein bißchen Schlaf.«
Mary schien beruhigt und wandte sich
einem neuen Thema zu. »Ich bin froh, daß Quinn dich geheiratet hat, Melissa«,
sagte sie mit Überzeugung. »Ich habe Gillian Aires immer verabscheut!«
»Warum?« entgegnete Melissa, bevor
sie Miss Alices warnende Geste sah.
Quinns Schwester trank einen Schluck
Wasser. »Weil sie keine Liebe in sich hat«, erwiderte sie ernst. »Das kann man
spüren.«
Miss Alice lenkte die Unterhaltung
geschickt auf ein anderes Thema zurück. »Quinn ist müde, Mary«, sagte sie
sanft, »und du mußt es auch sein. Es war eine lange Reise von Seattle hierher,
und du solltest bald ins Bett gehen.«
»Ich bin kein Kind mehr!«
protestierte Mary, aber sie stand gehorsam auf. »Hast du mit Quinn über Dr. Koener
gesprochen, Tantchen?«
Alice preßte die Lippen zusammen.
»Ja, und er hat reagiert wie erwartet, aber du darfst dich nicht entmutigen
lassen. Quinn wird schon noch zur Vernunft kommen.«
Melissa wußte nichts Rechtes mit
sich anzufangen, als die beiden Frauen den Tisch verließen. So viele Fragen
über Gillian und Quinn beschäftigten sie bereits, und nun kam ein neues
Geheimnis dazu. Sie fragte sich, wer Dr. Koener sein mochte und warum Quinns
Meinung über ihn so wichtig war, doch es war niemand da, den sie fragen
konnte.
Als sie schließlich in ihr Zimmer
hinaufging, lag Quinn nicht im Bett, sondern saß hinter seinem Schreibtisch
und addierte lange Zahlenreihen. Melissa trat hinter ihn und massierte seine
steifen Schultern.
Seufzend überließ er sich ihren
sanften Händen. »Mein Gott, das tut so gut«, sagte er.
»Wer ist Dr. Koener?« fragte
Melissa, nachdem sie dazu übergegangen war, seine Nackenmuskeln zu kneten.
Quinn stöhnte leise und ließ den
Kopf hängen. »Ein Chirurg in Seattle. Alice möchte, daß er Marys Augen
operiert.«
»Und du bist dagegen?«
»Ich weiß es nicht.« Quinn nahm ihre
Hand und zog Melissa zu sich herum auf seinen Schoß. Er sah so müde und
niedergeschlagen aus, daß es ihr ans Herz griff und sie alles vergaß, was Mitch
gesagt hatte. »Ich habe Adam ein Telegramm geschickt«, erzählte Quinn. »Er
meinte,
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