Cordina's Royal Family 1-4
neckten – trieb sie an weiterzufahren. Bestimmt sind es nicht einmal mehr zwei Meilen, redete sie sich gut zu. Dann würde sie wieder auf der Hauptstraße sein.
Und dort bestimmt gleich ein Motel finden, wo sie sicher im Trockenen sitzen und das Unwetter sogar genießen konnte.
Plötzlich schoss etwas unter den Bäumen hervor und sprang vor den Wagen. Sie sah einen Sekundenbruchteil lang die weit aufgerissenen Augen des Rehs im Scheinwerferlicht glitzern, im nächsten Moment riss sie auch schon das Lenkrad herum.
Das Auto kam ins Schleudern, drehte sich auf der nassen Straße einmal um sich selbst und landete dann mit einem Ruck und einem ominösen Kreischen von Metall mit der Kühlerhaube voran im Straßengraben.
In den nächsten zwei Minuten hörte sie nichts außer dem Prasseln des Regens und ihren eigenen keuchenden Atemzügen. Dann riss ein greller Blitz sie aus ihrer Erstarrung.
Sie atmete tief ein und langsam wieder aus. Wenn sie dreimal hintereinander tief ein- und ausatmete, beruhigte sie das normalerweise.
Aber dieses Mal kam der dritte Atemzug zusammen mit einem Fluch heraus. Sie schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad, biss die Zähne zusammen und legte den Rückwärtsgang ein.
Als sie Gas gab, drehten die Räder durch und gruben sich noch tiefer in den Matsch ein. Sie versuchte, das Auto von der Stelle zu bewegen vorwärts, rückwärts, vorwärts, rückwärts. Mit jedem Zentimeter Boden, den sie gewann, verlor sie zwei.
Sie gab auf und stieg, Verwünschungen vor sich hin murmelnd, aus, um im strömenden Regen Bestandsaufnahme zu machen.
Außer einer verbeulten Stoßstange konnte sie keinen Schaden entdecken, aber da es dunkel war, hatte das nicht viel zu besagen. Als sie genauer hinschaute, sah sie, dass ein Scheinwerfer zersplittert war. Das Auto stand halb auf der Straße und halb im Graben, die Vorderräder waren tief im Schlamm eingesunken.
Als sie wieder ins Auto stieg und ihr Handy herauskramte, fröstelte sie, weil sie bei ihrem kurzen Aufenthalt im Freien bis auf die Haut durchnässt worden war. Sie musste einen Abschleppdienst anrufen, wusste jedoch nicht, was für eine Nummer sie wählen sollte. Nun, vielleicht könnte ihr die Auskunft ja weiterhelfen.
Camilla schaltete das Handy ein und blickte auf das Display. Nicht betriebsbereit.
Na toll! dachte sie verärgert. Einfach toll. Da fahre ich mitten durch die Landschaft, weil die Bäume so hübsch sind, und trällere ein fröhliches Liedchen vor mich hin, ohne zu bemerken, dass ein schlimmes Gewitter aufzieht.
Schließlich lande ich am einzigen Ort der Welt, an dem es keine Handyverbindung mehr gibt, im Straßengraben, weil mir ein dämliches Reh vors Auto läuft und ich bremsen muss, um es nicht zu überfahren.
Wie es schien, würde der nächste Teil ihres Abenteuers darin bestehen, dass sie die Nacht, bis auf die Haut durchnässt, im Auto zubrachte.
Nach zehn Minuten fror sie in ihrer nassen Kleidung ganz schrecklich und sah keine andere Möglichkeit mehr, als ihren Koffer aus dem Kofferraum zu holen.
Dann musste sie sich nur noch in einem Auto am Straßenrand umziehen.
Als sie den Koffer aus dem Kofferraum zu hieven begann, sah sie durch den Regenvorhang in der Ferne das schwache Glitzern von Autoscheinwerfern. Sie zögerte keine Sekunde, sondern lief um das Auto herum auf die Fahrerseite, riss die Tür auf und drückte dreimal fest und lang anhaltend auf die Hupe. Dabei rutschte sie aus und wäre fast mit dem Gesicht im Straßengraben gelandet, zum Glück aber fing sie sich wieder und eilte auf die Straße, wo sie die Arme wie Windmühlenflügel auf und ab bewegte.
Kein weißer Hengst hatte je so prächtig ausgesehen wie der verbeulte Truck, der jetzt an den Straßenrand fuhr und anhielt. Kein Ritter in seiner glänzenden Rüstung hatte je so heroisch gewirkt wie die dunkle Gestalt, die jetzt das Fenster herunterkurbelte und zu ihr heraussah.
In dem schwachen Licht und dem strömenden Regen konnte sie seine Augen nicht erkennen, ja, nicht einmal sein Alter einschätzen. Als sie hinlief, sah sie nur den schattenhaften Umriss seines Gesichts und einen Kopf mit abenteuerlich zerzaustem Haar.
„Ich habe ein Problem”, begann sie.
„Ehrlich?”
Jetzt sah sie seine Augen. Sie glänzten flaschengrün unter unwirsch zusammengezogenen schwarzen Brauen. Sein Blick glitt über sie hinweg, als ob sie unwichtig und nur lästig wäre – was sie sehr in Wut brachte, wenngleich sie sich bemühte, dankbar zu sein. Dann musterte
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