Corina 01 - Dämonisch verführt
Taubheit kroch durch meine Gliedmaßen. Bei jemand anders hätte der Magier mit diesem Zauber vielleicht Erfolg gehabt, aber ich war schon einmal damit konfrontiert gewesen. Ich biss mir fest auf die blutende Unterlippe, und der stechende Schmerz drängte die Benommenheit ein wenig zurück.
Der Kampf gegen Magier war nie so direkt, wie ich es mir wünschen würde. Mir wäre eine unmittelbare physische Konfrontation lieber, in der es um Stärke, Schnelligkeit und darum ging, wer die besseren Tricks kannte. Bei Magiern hingegen ging es darum, wer die scheußlicheren Spielzeuge hatte. Da ich es mit einem dunklen Kriegsmagier zu tun hatte, musste ich davon ausgehen, dass seine Spielzeugsammlung es durchaus mit meiner aufnehmen konnte, weshalb ich der Versuchung widerstand, mir ein wenig Spaß zu gönnen, und einfach das Messer warf, das ich aus dem Stiefel gezogen hatte. Der Bursche versuchte nicht einmal auszuweichen und ging vermutlich von der Annahme aus, dass sein Schild das Messer aufhalten würde. Unter normalen Umständen wäre das auch der Fall gewesen, aber ich hatte ein Vermögen dafür ausgegeben, das Messer verzaubern zu lassen.
Darin bestand das Problem mit magischem Schutz: Er war nur so gut wie der Magier, der ihn geschaffen hatte, und er nützte gar nichts, wenn der Gegner in magischer Hinsicht mehr draufhatte. Glücklicherweise stellte sich heraus, dass der Zauber seinen Preis wert war. Die letzte Emotion, die sich im Gesicht des Mannes zeigte, bevor er zu Boden sank, war Überraschung über die Klinge in seinem Herzen.
Ich zog das Messer aus der Brust des Toten, lief zur Rampe zurück und schüttelte den Kopf, um den Rest von Benommenheit loszuwerden. Der andere Magier hatte die Abschirmung des Flugzeugs durchdrungen, während ich abgelenkt gewesen war. Ich fand ihn drinnen, beim Kampf gegen Louis-Cesare.
Ich schenkte ihnen kaum Beachtung, ebenso wenig dem ziemlich wüsten Zustand des Fliegers. Meine Aufmerksamkeit galt vor allem dem recht mitgenommen wirkenden Piloten, dessen entsetzter Blick einem Kasten galt, der beim Cockpit auf dem Boden stand. Ein Display zeigte 01:34, als ich zum ersten Mal in seine Richtung sah, und eine Sekunde später 01:33.
Die Beine des Piloten waren gebrochen; ein Oberschenkelknochen ragte aus dem dunkelblauen Stoff der Uniformhose. Ich packte den Mann und sah mich um. »Sonst noch jemand an Bord?«
Er blinzelte und antwortete nicht. Schmerzen schien er keine zu haben, was entweder bedeutete, dass Louis-Cesare ihm einen Betäubungszauber gegeben hatte, oder dass er unter Schock stand. Was auch immer der Fall sein mochte, eine große Hilfe würde er wohl kaum sein. Trotzdem dachte ich, dass es einen Versuch wert war.
Ich schüttelte ihn ein wenig und deutete auf die Bombe. »Können Sie das Ding entschärfen?«
»Keine Ahnung.« Seine Pupillen waren stark geweitet, und er blinzelte erneut. »Wenn ich mehr Zeit hätte…«
Ich sah dem Piloten ins leere, bleiche, schweißfeuchte Gesicht. Bei unserer ersten Begegnung hatte er mit seinem rotblonden Haar, den von der Sonne geröteten Wangen und einem deutlichen Schielen nicht wie jemand ausgesehen, der für einen Haufen blutsaugender Ungeheuer arbeitete. Jetzt wurde er dieser Rolle eher gerecht.
»Gehen wir«, sagte ich und warf ihn mir über die Schulter. Dadurch hatte ich die Hände für Waffen frei, von denen ich annahm, dass ich sie brauchen würde.
»Dorina! Ich habe dir befohlen zu warten!« Louis-Cesare warf mir einen Blick zu, während er einem Hieb des Magiers vor ihm auswich. Für mich sah’s nach einem Unentschieden aus, denn der Schild des Magiers blockierte die Schläge des Vampirs, und Louis-Cesare war so schnell, dass ihn sein Gegner nicht treffen konnte. Der Bursche hätte vermutlich etwas Scheußlicheres als das lange Messer in seiner Hand benützt, wenn er nicht in einem magisch versiegelten Bereich gewesen wäre. Aus dem gleichen Grund durfte ich nicht riskieren, von meinen Spielsachen Gebrauch zu machen - die vom Senat in der Maschine platzierten Schutzzauber konnten sie nach hinten losgehen lassen.
»Lass ihn!«, rief ich Louis-Cesare zu. »Wir müssen weg!«
»Geh du«, erwiderte er und schlug erneut mit seinem Rapier zu, obwohl es nichts nützte. »Jonathan stirbt heute.«
Ich sah den Magier an, dessen Tarnzauber inzwischen nicht mehr funktionierte, weil er seine ganze Kraft für die Stabilisierung des Schilds brauchte. Die beiden Männer waren ungefähr gleich groß, aber mit seiner hageren
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