Corina 01 - Dämonisch verführt
Statur und den schmalen Schultern wirkte der Magier kleiner. Ich katalogisierte ihn automatisch: kurzes weißblondes Haar, große graue Augen, eine noch größere Nase, blasses Gesicht. Ich kannte ihn nicht. Kein Wunder, versuchte ich doch, mich von Magiern im Allgemeinen und dunklen im Besonderen fernzuhalten.
»Wir müssen raus aus der Maschine, bevor die Bombe explodiert!« Ich deutete auf den Kasten, dessen Display jetzt 00:52 zeigte. »Komm!«
Louis-Cesare und sein Gegner sahen auf die Uhr. Dann erinnerte sich der Magier daran, dass er an seinem Leben hing, und sprang zur Tür. Ich versuchte nicht, ihn aufzuhalten, denn ich war zu sehr darauf konzentriert, mit dem Piloten über der Schulter ebenfalls das Flugzeug zu verlassen. Louis-Cesare folgte mir mit dem Steward, der keinen Mucks von sich gab, und wir rannten zum Maschendrahtzaun am Rand des Rollfelds. Der Magier brauchte niemanden zu tragen, erreichte ihn als Erster und kletterte hinüber. Louis-Cesare ließ den Steward zu Boden sinken und sprang so mühelos über den Zweieinhalb-Meter-Zaun, als wäre er gar nicht da.
Ich legte den Piloten neben sein Besatzungsmitglied, und nur einen Sekundenbruchteil später explodierte hinter uns das Flugzeug. Orangefarbene Flammen leckten gen Himmel, gefolgt von schwarzem Rauch. Ich beugte mich über den Piloten, um ihn mit meinem Körper abzuschirmen, und mehrere weißglühende Teile trafen mich am Rücken.
Gerade als ich mich dem Steward entgegenstreckte, schnitt ein Trümmerstück durch seine Stirn und skalpierte ihn, bevor es sich in den Zaunpfosten hinter seinem Kopf bohrte. Ich blieb über den Piloten gebeugt und wartete darauf, dass es zu Ende ging. An manchen Tagen sollte man besser im Bett bleiben.
Eine halbe Stunde später saßen wir in einem blitzblanken neuen Mustang und waren nach Vegas unterwegs. Wir hatten den Wagen wegen der stark getönten Scheiben genommen, aber er hatte ein Schaltgetriebe. Auf dem großen Parkplatz des Autoverleihs hatte ich einen skeptischen Blick darauf gerichtet.
»Du hättest mich etwas stehlen lassen sollen. Mit einer manuellen Schaltung kann ich nicht umgehen.«
»Ich fahre«, sagte Louis-Cesare und ließ sich so elegant in den niedrigen Sitz sinken, als hätte er das schon hundertmal getan. »Du bist betrunken.«
Ich war’s leider nicht. »Ich hab mir nur zwei Bier genehmigt. Vor allem wegen des Wassers darin.«
»Warum trinkst du kein Wasser, wenn du welches brauchst?«
»Weil ich’s nicht mag.«
»Steig ein oder bleib hier, Dorina.«
Ich stieg ein, denn ich wollte dabei sein, wenn er dem Senat mitteilte, dass wir ein millionenteures Flugzeug in weniger als einem Tag zerstört hatten. Ich saß auf dem Beifahrersitz, und unsere beiden Passagiere teilten sich die Rückbank. Einer von ihnen war der Pilot, der nach einem weiteren Betäubungszauber von Louis-Cesare schlief.
Nummer zwei war der einzige dunkle Magier, der abgesehen von Jonathan die Explosion überlebt hatte. Wenn man es so nennen wollte.
Louis-Cesare hatte darauf bestanden, ihn mitzunehmen, aber mir war der Typ nicht ganz geheuer. Wahrscheinlich hatte es etwas damit zu tun, dass ihm jetzt ein Fuß aus dem Hals ragte und er Augen am Hinterkopf hatte.
Nachdem ich ihn fünf Minuten lang schreien gehört hatte, reichte es mir, und ich schlug ihn bewusstlos.
»Wer ist Jonathan?«, fragte ich und werkelte an den Belüftungsöffnungen herum, damit mehr Luft aus ihnen kam.
Die Sonne brannte so heiß, dass ich sie schmecken konnte, und die Straße schimmerte wie eine wellige schwarze Schlange. Es war jene Art von Hitze, die Schlagzeilen machte und die Leute zu düsteren Prophezeiungen in Hinsicht auf die globale Erwärmung veranlasste. Ich hatte den Rest des Sechserpacks mitgenommen, und die Flasche in meiner Hand schwitzte ebenso wie ich.
Die einzige Antwort, die ich auf meine Frage bekam, war eine Zunahme der Geschwindigkeit. »Wenn wir zusammenarbeiten sollen, wäre es besser, wenn wir uns kennenlernen«, zitierte ich.
»Der Magier ist nicht wichtig.«
»Du hast dein Leben bei dem Versuch riskiert, ihn zu töten, und er soll nicht wichtig sein?«
Ich bekam nur steinernes Schweigen. Louis-Cesares Blick blieb auf die Straße gerichtet, aber ich sah seine Augen im Spiegel. Ihre Pupillen zeigten Reaktionen. Das Gesicht blieb ausdruckslos und so unbewegt wie das einer Statue, aber in den Augen veränderte sich etwas, wenn er an Jonathan dachte.
»Ich habe gesagt, du hast dein Leben bei dem
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