Corina 01 - Dämonisch verführt
war. Schlimmer noch: Vor uns machte die Straße eine Kurve. Bisher war der Festwagen allein durch sein Bewegungsmoment mehr oder weniger auf Kurs geblieben, doch das würde nicht mehr lange so bleiben. Ein Blick durch das kleine Sichtloch im Bug zeigte mir, was vor uns lag, wenn es uns nicht gelang, dem Verlauf der Kurve zu folgen. »Mit manuellen Gangschaltungen kenne ich mich nicht aus.«
»Ich auch nicht!«
»Aber ich kenne jemanden, der darüber Bescheid weiß.« Ich schob Casanova beiseite und fasste Louis-Cesare am Fußknöchel. »Komm hier runter!«
Glücklicherweise vergeudete er keine Zeit, indem er nach dem Grund fragte. Und als er unten war, wurde ihm das Warum schnell klar. Eine große Gruppe von Touristen hatte auf einer unüberdachten Tribüne Platz genommen und dort vermutlich den halben Tag auf die Parade gewartet; als Dank dafür liefen sie jetzt Gefahr, von einem Piratenschiff zerquetscht zu werden. Louis-Cesare fluchte leise, nahm aber am Steuer Platz, während ich wieder nach oben kletterte. Ich ließ die Luke zufallen und packte Casanova an seiner hübschen Spitzenkrawatte. »Ich möchte, dass du mir einen Gefallen tust.«
Seine Antwort war nicht ganz stubenrein. Ich lächelte nur. »Ich bitte dich nicht meinetwegen. Ich bin im Auftrag von Mircea unterwegs. Du weißt schon, der Familienpatriarch? Und zufälligerweise dein Boss?«
Casanovas Verhalten veränderte sich sofort. Ein schmeichlerisches und völlig falsches Lächeln legte sich wie die Maske, die es war, auf sein Gesicht. Aber an seiner Antwort änderte sich nichts. »Es ist die Wahrheit. Ich habe nichts für dich!«
»Du verlogener Sohn einer…«
Ich bekam keine Gelegenheit, Casanova zu sagen, was ich von ihm hielt, denn die Crew wählte diesen Moment für die Rückkehr. Offenbar hatte sie es satt zu warten, dass das Schiff den Kapitän erledigte, und sie schien jetzt entschlossen zu sein, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Und sie hatte Freunde gefunden. Casanova nahm einen Degen, der aufs Deck gefallen war, und drückte ihn mir in die Hand. »Ich hoffe, du erinnerst dich daran, wie man mit so etwas umgeht«, sagte er, zog dann seine eigene Klinge und sprang zur Seite des Schiffes.
»Ich bin noch nicht mit dir fertig!«, rief ich ihm nach, als eine Gestalt in einem schlechten Halloween-Kostüm angriff.
Glücklicherweise war der Typ ein Mensch - andernfalls hätte er mich einen Kopf kürzer gemacht -, und meine Reflexe schienen ihm mitzuteilen, dass ich keiner war. Ich drehte mich um und sah Furcht in seinem schweißfeuchten Gesicht. Er wich zurück und hielt seinen Degen so ungeschickt, als sähe er eine solche Waffe jetzt zum ersten Mal in seinem Leben. Ich lächelte, und seine Augen wurden groß wie zwei Spiegeleier. Er machte einige hastige Schritte nach hinten, fiel vom Wagen, ruderte mit den Armen in leerer Luft und knallte unten auf den Asphalt. Ich sah über die Reling und beobachtete, wie er auf allen vieren fortkroch und in der Menge verschwand.
Ein Jucken zwischen meinen Schultern teilte mir mit, dass jemand anders dort weitermachen wollte, wo der Bursche von eben aufgehört hatte. Ich schaffte es, meinen Degen rechtzeitig zu heben, doch die Wucht des Angriffs zwang mich auf ein Knie. Und dann fiel ich weiter, denn Louis-Cesare nahm die Kurve auf zwei Rädern, und wir schossen ganz dicht an der vordersten Tribünenreihe vorbei. Ich hielt mich an einem Totenkopf fest, um nicht übers Deck zu rutschen, und sah die Gesichter der Touristen aus der Nähe, als die Asche der Beflaggung ihren Tennisschuhen schwarze Flecken verlieh. Zum Glück hatte die plötzliche Bewegung auch dazu geführt, dass mein Gegner ins Wanken geriet. Er verlor das Gleichgewicht und sank auf Hände und Knie, als ich herumrollte und wieder auf die Beine kam.
Im Gegensatz zu dem Menschen wusste dieser Typ genau, wozu ein Degen da war, vermutlich deshalb, weil er jahrhundertelang einen geschwungen hatte. Unsere Waffen trafen sich hoch über unseren Köpfen, und wir versuchten, uns gegenseitig in die Enge zu treiben. Der Klingenschwinger war ein ganzes Stück kräftiger als ich, und meine ramponierte Schulter ließ mich im Stich. Der Vamp grinste, als er meinen Degen nach unten zwang, und ich fügte mich dem Unausweichlichen mit einer Grimasse. Verdammt, das würde wehtun. Ein meinen ganzen Körper schüttelnder Ruck fuhr mir durch den Arm, als ich dem Burschen den Pflock in die Brust rammte. Er starrte mich verblüfft an und schien überrascht
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