Corkle 1
Ecke. Ich bremste scharf am Straßenrand, und Cooky sprang hinaus und rannte zur Ecke zurück. Den Revolver hielt er in der Hand. Er duckte sich hinter der Hausecke. Der Wagen kam schnell um die Kurve; der Fahrer spielte vorzüglich mit Kupplung und Bremse. Cooky zielte sorgfältig und schoß zweimal. Der rechte Vorder- und der rechte Hinterreifen des Wagens platzten, und ihr Knall lieferte den Schüssen ein doppeltes Echo. Der Wagen schleuderte auf den Straßenrand zu, und ich konnte sehen, wie der Fahrer sich um Kontrolle bemühte, aber es war zu spät. Der Wagen schleuderte über den Rinnstein und krachte mit voller Wucht gegen die Hauswand. Inzwischen war Cooky schon wieder im Mercedes, und ich hatte den ersten Gang eingelegt und trat das Gaspedal komplett durch. Es war zwar kein Rennstart, aber der Wagen zog an. Cooky nahm seine Flasche und trank. Er bot sie dem Mädchen auf dem Rücksitz an, aber sie lehnte ab.
»Wohin?« fragte ich sie.
»Wir müssen uns an die Nebenstraßen halten. Sie haben bestimmt Funk.«
»Wohin?« wiederholte ich scharf.
»Nach links.«
Ich drehte das Lenkrad, und der Mercedes holperte um die nächste Ecke. Ich hatte absolut keine Ahnung, wo wir waren.
»Und jetzt?«
»Die nächsten drei Straßen geradeaus, dann nach rechts.«
Ich hielt den Wagen im zweiten Gang, um rasch bremsen zu können, falls wir plötzlich abbiegen mußten.
»Ich möchte wissen, warum sie ihn uns vor die Füße geworfen haben?«
»Burmsers Boy?«
Ich nickte.
»Vielleicht halten sie ihn für einen Freund von uns.«
»Hoffentlich haben sie damit nicht recht.«
11
Während wir immer tiefer nach Ostberlin hineinfuhren, sagte Marta nichts als »rechts« oder »links« oder »geradeaus«. Der Verkehr, sowohl Fußgänger als auch Fahrzeuge, wurde dünner, als das Wohnviertel in einen Industriebezirk überging.
»Wir sind jetzt im Stadtteil Lichtenberg«, sagte sie. »Es ist nicht mehr weit. An der nächsten Ecke rechts.«
Ich bog nach rechts ab und fuhr einen halben Block weiter.
»Hier«, sagte sie, »in diese Gasse.«
Sie führte zwischen zwei fünfstöckigen Gebäuden hindurch, die schwereren Kriegsschäden entgangen waren. Die Gasse war schmal, gerade breit genug für den Mercedes. Ich fuhr langsam und ließ nur die Parkleuchten brennen.
»Hinten ist ein Schuppen, da können Sie den Wagen einstellen.«
»Links oder rechts?«
»Links.«
Die Einfahrt endete als Sackgasse vor einer Ziegelmauer. Zwischen ihr und dem Gebäude stand eine Art Schuppen mit Schiebetoren. Ich hielt den Wagen an, und das Mädchen stieg aus.
»Hilf ihr, Cooky.«
Sie reichte Cooky einen Schlüssel, und er schloß ein Tor auf und schob es zur Seite. Ich lenkte den Wagen hinein, stellte den Motor ab und schaltete die Lichter aus. Im Schuppen stand noch ein weiterer Wagen – ein ziemlich neuer Citroën. Er war grün oder schwarz, in der Dunkelheit konnte ich es nicht unterscheiden.
»Hier entlang«, flüsterte das Mädchen. Sie öffnete eine Tür, die ins Gebäude führte. »Im Krieg wurden hier Uniformen gemacht, aber die Russen haben die Maschinen demontiert.
Danach wurde es als Schlafquartier benutzt, und dann war hier eine Lampenfabrik. Jetzt steht das Gebäude leer, und das wird noch etwa einen Monat so bleiben.« Sie öffnete ihre Handtasche und zog eine Taschenlampe heraus. »Wir müssen ganz nach oben, fünf Stockwerke.« Wir stiegen die Treppen hinauf und ließen uns vom Geländer leiten. Als wir im fünften Stock ankamen, schnaufte ich etwas. Die Treppe endete auf einem kleinen Absatz mit einer großen Tür. Das Mädchen klopfte, und die Tür ging schnell auf. In der Öffnung stand Padillo, in einer Hand eine Zigarette, in der anderen einen Revolver. Das Mädchen huschte an ihm vorbei und sagte: »Es gibt Probleme.«
Padillo ignorierte sie. »Hallo, Mac.«
»Weatherby ist tot. Cooky wollte mitkommen.«
»Hallo, Cook.« Padillo nannte ihn niemals Cooky.
»Mike«, sagte Cooky. »Du kannst das Ding in eine andere Richtung halten.«
Padillo lächelte und steckte die Waffe in den Hosenbund.
Wir betraten den Raum. Er war mindestens fünfundzwanzig Meter lang und zwölf Meter breit. Von der vier Meter hohen Decke hingen an langen Schnüren zwei Sechzig-Watt-Birnen, die schwächlich gegen die Dunkelheit ankämpften. Die Fenster waren mit Teerpappe verklebt. An einem Ende des Raums befanden sich ein Spülbecken und eine zweiflammige Kochplatte. Eine Kiste mit Konserven, Geschirr und Gläsern stand auf einer
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