Corum 03 - Das Ende der Götter
auch vermutlich nicht in Eurer. In der Zukunft einer Parallelebene vielleicht. Es gibt zweifellos viel mehr als eine Zukunft, in der die Vadhagh überlebten und die Mabden ausstarben. Es gibt eine schier unbegrenzte Zahl von Möglichkeitswelten im Multiversum.«
»Euer Wissen ist groß, Jhary-a-Conel.«
Der Gefährte griff unter sein Wams und zog seine kleine schwarzweiße Katze heraus. Sie hatte sich die ganze Zeit während des Kampfes und der Verfolgung dort befunden. Nun begann sie zu schnurren und streckte sich. Sie ließ sich auf Jharys Schulter nieder.
»Mein Wissen ist lückenhaft«, erwiderte Jhary müde. »Es besteht hauptsächlich aus verblaßten Erinnerungen.«
»Aber wieso wißt Ihr soviel von dieser Ebene?«
»Weil ich selbst hier lebe. Das, was wir als Zeit bezeichnen, gibt es eigentlich gar nicht, versteht Ihr? Ich entsinne mich dessen, was für Euch die ›Zukunft‹ ist. Ich erinnere mich an viele meiner Inkarnationen. Hättet Ihr die Parade lange genug beobachtet, hättet Ihr nicht nur Euch, sondern auch mich gesehen. Ich habe einen hohen Titel hier, aber ich diene jenem, den Ihr auf dem gelben Pferde saht. Er ist in jener Stadt geboren, aus der wir flohen, und er wird von ihren Bürgern als großer Held verehrt, obgleich er, wie Ihr, den Frieden vorzöge. Doch das ist das Los des ewigen Helden - «
»Ich will nichts mehr davon hören«, unterbrach Corum ihn hastig. »Es bedrückt mich zu sehr.«
»Das kann ich verstehen.«
An einem Fluß machten sie Rast, tränkten ihre Pferde und bereiteten ein Lager für die Nacht. Abwechselnd hielten sie Wache. Manchmal sahen sie in der Ferne Reiter vorbeitraben. Ihre Fackeln erhellten kurz die Nacht, doch sie kamen nie nahe genug, um eine Bedrohung für sie zu sein.
Am nächsten Morgen erreichten sie den Rand eines ausgedehnten Moors. Ein milder Regen fiel und erfrischte sie, ohne ihnen Unbehagen zu verursachen. Ihre Pferde überquerten die Moorlandschaft mit sicheren Hufen, und bald kamen sie zu einem Tal mit einem Wald.
»Wir haben Warleggon umritten«, erklärte Jhary. »Ich hielt es für klüger. Doch hier ist nun der Wald, den ich suchte. Seht Ihr den Rauch dort aufsteigen? Ich hoffe, das ist das Haus von Lady Jane.«
Sie folgten einem gewundenen Pfad, der an beiden Seiten von duftendem Moos und wild wuchernden Blumen umsäumt war, bis sie zu zwei braunen Steinsäulen kamen, auf denen zwei Falken mit ausgebreiteten Flügel kauerten. Aus der Nähe erkannte Corum, daß auch sie aus Stein gehauen waren. Das eiserne Tor dazwischen stand offen. Sie führten ihre Pferde den Kiesweg entlang, der dahinter begann. Hinter einer Biegung sahen sie das Haus. Es war dreistöckig und aus dem gleichen braunem Stein wie die Torsäulen. Es hatte ein graues Schieferdach und fünf rötliche Kamine. Schmiedeiserne Gitter schmückten die Fenster. In der Mitte des Hauses führte eine niedrige Tür ins Innere.
Auf das Hufklappern hin kamen zwei alte Männer um die Hausseite. Sie hatten dunkle Haut, buschige Brauen und langes graues Haar. Sie waren in Leder und Häute gekleidet, und sie blickten Corum, in seinem hohen Helm und dem silbernen Kettenhemd, mit merkwürdig grimmiger Genugtuung entgegen.
Jhary redete sie in ihrer eigenen Sprache an es war nicht jene, die Corum in der Stadt gehört hatte, sondern eine, die ganz schwach an die der Vadhagh erinnerte.
Einer der beiden Männer nahm ihnen die Pferde ab, um sie in den Stall zu führen. Der andere betrat das Haus. Corum und Jhary warteten vor der Tür.
Und dann kam sie ihnen entgegen.
Sie war eine alte wunderschöne Frau mit langen weißen Zöpfen und einem breiten Band über der Stirn. Sie trug ein wallendes hellblaues Seidengewand mit weiten Ärmeln und goldener Stickerei am Hals und am Saum.
Jhary redete sie in ihrer Sprache an, und sie lächelte. »Ich weiß, wer Ihr seid«, sagte sie in der klangvollen Sprache der Vadhagh. »Wir haben hier im Haus im Wald auf Euch gewartet.«
DAS FÜNFTE KAPITEL
Lady Jane Pentallyon
Die alte wunderschöne Frau führte sie in einen kühlen Raum. Braten, Wein und Früchte warteten auf sie auf einem Tisch aus polierter Eiche. Überall standen Vasen mit Blumen, die einen süßen Duft verbreiteten. Sie blickte Corum an, aber öfter noch Jhary. Doch Corum betrachtete sie fast liebevoll.
Der Vadhagh verbeugte sich tief und nahm seinen Helm ab. »Wir danken Euch, edle Lady, für Eure Gastlichkeit. Es gibt viel Güte in Eurem Land, aber auch Haß.«
Sie nickte lächelnd.
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