Corum 03 - Das Ende der Götter
herbeirufen könnten, sagte sie, aber sie hatte Angst, sie anzuwenden. Ich flehte sie an, für jeden von uns einen Gott als Liebsten aus einer anderen Welt zu beschwören, aber ihre Furcht war zu groß. Sie weigerte sich. Ein Jahr verging, und wir lebten immer mehr in einer Welt, die nichts anderes als unsere Vorstellung von Zauberwesen und Dämonen und göttergleichen Jünglingen kannte. Und schließlich gab Aireda meinem unermüdlichen Flehen nach und brach das sich selbst gegebene Versprechen, keine Beschwörungen und Zauberkünste zu versuchen.«
Lady Jane Pentallyon hob eine Schüssel mit fein zerteilten Früchten vom Tisch und bot sie Corum an. Er bediente sich. »Bitte fahrt fort, Lady«, bat er.
»Nun, ich lernte die Zeichen von ihr, die man in Stein kratzen, die Kräuter, die man brauen muß, und die Anordnung von Juwelen und anderen seltenen Steinen, von Kerzen, und ähnlichen Dingen. Ich erfuhr alles, was sie selbst wußte, nur nicht die Beschwörungsformel und die Zeichen, die mit einem Hexenmesser aus glitzerndem Kristall in die Luft geschrieben werden müssen. So kratzte ich denn die Zeichen in Steine, sammelte Kräuter, legte die Juwelen meiner Mutter bereit, suchte die seltenen Steine und schickte in die Stadt nach den Kerzen. Und eines Tages wies ich das alles Aireda vor und überzeugte sie, daß sie jene Älteren beschwören müsse, die dieses Land vor den Druiden beherrschten, die selbst noch vor den Christen kamen. Sie erklärte sich bereit, denn meine Verrücktheit hatte sie inzwischen angesteckt. Wir beschlossen mit dem Ritual bis zum Allerheiligenabend zu warten, obwohl es, wie ich jetzt glaube, keine besondere Bedeutung hat. Wir ordneten die Steine im mythischen Muster an und schrieben mit dem kristallenen Hexenmesser die Zeichen in die Luft. Wir zündeten die Kerzen an und brauten die Kräuter und leerten den Trank und die Beschwörung gelang.«
Jhary lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und starrte die Lady an. Er kaute noch an seinem Apfel. »Es gelang Euch, einen Dämon herbeizurufen?«
»Ein Dämon? Nein, es war kein Dämon, obwohl er uns damals mit seinen Mandelaugen und den spitzen Ohren so vorkam. Er hatte ein Gesicht, nicht unähnlich dem Euren, Prinz Corum, und wir verspürten zuerst große Angst vor ihm, denn er stand in der Mitte unseres magischen Kreises und war schrecklich erzürnt. Er brüllte und drohte in einer Sprache, die ich damals noch nicht verstand. Nun, ich will Euch nicht auf die Folter spannen. Der arme ›Dämon‹ war jedenfalls nichts anderes als einer Eurer Artgenossen, der durch unsere Beschwörung aus seiner Welt gerissen worden war und nichts weiter begehrte, als dorthin zurückzukehren.«
»Und tat er das, Lady?« fragte Corum sanft, denn er sah, daß ihre Augen feucht glänzten. Sie schüttelte den Kopf.
»Das konnte er nicht, denn wir hatten keine Möglichkeit, ihn zurückzuschicken. Nachdem unser Erstaunen abgeklungen war wir hatten gar nicht wirklich mit einem Erfolg unseres Spiels gerechnet , machten wir es ihm hier so angenehm wie wir konnten. Denn natürlich bedauerten wir, was wir getan hatten, als wir sahen, wie hilflos er war. Er begann ein wenig von unserer Sprache zu lernen, und wir von seiner. Wie hielten ihn für sehr klug, obwohl er uns immer wieder versicherte, daß er nur ein Angehöriger einer großen und nicht sehr bedeutenden Familie des mittleren Adels und von Beruf Soldat war und nicht Gelehrter oder Zauberer. Wir ehrten ihn seiner Bescheidenheit wegen und bewunderten ihn um so mehr. Ich glaube, das gefiel ihm, wenngleich er uns immer wieder bat, ihn in seine eigene Zeit und auf seine Ebene zurückzuschicken.«
Corum lächelte. »Ich weiß, wie ich mich fühlen würde, wenn zwei junge Mädchen mich aus allem, was mir lieb und wert ist, herausgerissen hätten und mir dann erklärten, daß sie nur ein Spiel versucht hätten und mich nun nicht zurücksenden könnten!«
Lady Jane erwiderte sein Lächeln. »Aye. Nun, nach und nach versöhnte sich Gerane das war einer seiner Namen zumindest ein wenig mit seinem Geschick, und er und ich wir verliebten uns ineinander und waren eine Zeitlang unsagbar glücklich. Leider hatte ich nicht in Betracht gezogen, daß auch Aireda Gerane liebte.« Sie seufzte. »Ich hatte davon geträumt, Genoveva, Isolde und andere romantische Frauengestalten zu sein, aber ich vergaß, daß sie alle die Opfer einer Tragödie waren. Auch unsere Tragödie nahm ihren Lauf, und ich bemerkte es am Anfang gar nicht. Die
Weitere Kostenlose Bücher