Corum 05 - Der gefangene König
Schwert.
III
Ein Verräter schläft, ein Freund erwacht
Ohne zu zögern, faßte Corum sein Schwert bei der Klinge und schlug den runden Schwertknauf hart auf Amergins Nacken. Dann warf er sich den bewußtlosen Körper über die Schultern, überrascht, wie leicht der Hochkönig war. Der Mann mußte an seinen Grasmahlzeiten langsam verhungern. Man hatte Corum erklärt, daß wenig Aussichten bestanden, Amergin von seinem Zauberbann zu befreien, bevor er nicht weit von Caer Llud fortgebracht war. Der Hochkönig mußte zunächst einmal vor den Fhoi Myore in Sicherheit sein.
Irgendwie gelang es Corum mit seinem Mantel auch Amergins Körper vollständig einzuhüllen, so daß er hoffen konnte, daß sie jetzt beide unsichtbar waren. Nachdem er sich kurz im Raum umgesehen hatte, machte Corum sich auf den Rückweg zu der Bronzetür, durch die er hereingekommen war. Das Schwert hielt er kampfbereit in der Hand, hatte aber eine Falte des Mantels darüber geworfen.
Vorsichtig öffnete er die schwere Tür. Der Ghoolegh stand draußen in einiger Entfernung neben den Hunden. Die beiden Bestien schienen noch immer nervös und mißtrauisch zu sein, aber sie saßen gehorsam auf den Hinterläufen. Ihre Köpfe ragten dem Ghoolegh bis an die breiten Schultern. Die roten, stumpfsinnigen Augen des Wächters spähten zunächst die Treppe hinab und wanderten dann den Flur entlang zur Tür. Corum war sicher, daß der Ghoolegh bemerkt haben mußte, wie sich die Tür schloß. Aber dann wandte der Ghoolegh seinen Blick wieder der Treppe zu, und Corum konnte den Schlüssel zurück an den kupfernen Haken hängen.
Doch dabei bewegte er sich zu hastig. Der Schlüssel schlug gegen die steinerne Wand. Die Hunde spitzten die Ohren. Sie knurrten. Der Ghoolegh begann sich langsam zur Tür umzudrehen. Corum warf sich nach vorne und stieß den Ghoolegh von den Beinen. Der Untote grunzte überrascht und stürzte kopfüber die Granitstufen hinunter. Die Hunde sprangen auf, und einer schnappte nach Co- rum. Aber der Vadhagh stieß mit seinem Schwert zu. Der Hieb tötete den Hund so sauber, wie zuvor der Streich des Schwertes den Fleischberg getötet hatte.
Doch dann fühlte Corum, wie etwas gegen seinen Rükken schlug, und er geriet aus dem Gleichgewicht. Er stolperte einige Stufen hinab und konnte sich mit dem Hochkönig auf dem Rücken nur mit Mühe wieder fangen. Gegen die Wand gelehnt, versuchte er sich umzudrehen, als der zweite Hund ihn vom Kopf der Treppe aus ansprang. Der rote Rachen der Bestie war aufgerissen, von den gelben Fängen tropfte der Geifer, und die Vorderpranken streckten Corum ihre Klauen entgegen, während der Hund durch die Luft flog. Corum blieb nur Zeit, das Schwert zwischen sich und den Hund zu reißen, bevor die riesigen Pranken ihn gegen die Wand preßten. Aus dem Augenwinkel sah er zwei Ghoolegh-Wachen heranlaufen, die bemerkt haben mußten, daß hier etwas nicht stimmte.
Aber die Schwertspitze hatte den Hund genau ins Herz getroffen, und die Bestie starb, während ihre Pranken Corum gegen die kalten Steine drückten. Er wand sich unter dem Hundekadaver vor, befreite sein Schwert und legte den Sidhi-Mantel zurecht, Amergin noch immer in sicherem Griff auf den Schultern.
Die Ghoolegh hatten etwas gesehen und zögerten. Sie blickten auf den toten Hund und sahen sich dann gegenseitig an, als wüßten sie nicht recht, was sie davon zu halten hatten. Corum zog sich vorsichtig zurück. Er mußte erleichtert grinsen, als die Ghoolegh ihre Schwerter zogen und die Treppe hinaufliefen. Offenbar glaubten sie, den Verantwortlichen für den Tod des Hundes weiter oben suchen zu müssen.
Corum rannte zum nächsten Stockwerk hinunter, stieg dabei über den noch nicht entdeckten toten Fleischberg und erreichte keuchend den untersten Treppenabsatz.
Aber Calatin und Goffanon mußten etwas gehört haben, denn sie kamen aus ihrem Zimmer. Calatin lief voran. Er schrie.
»Was geht hier vor? Wer greift an?« Er blickte genau durch Corum hindurch.
Corum versuchte schnell weiterzukommen.
Dann sagte Goffanon mit dumpfer, belegter Stimme, aus der mehr Verwunderung als Zorn zu hören war:
»Corum! Was machst du hier in Caer Llud?«
Corum legte einen Finger auf die Lippen in der Hoffnung, daß Goffanon noch etwas Loyalität gegenüber seinem Vadhagh-Vetter besaß. Noch hielt Goffanon seine große Streitaxt auch nur locker gesenkt neben sich. Er schien sich in keinen Kampf stürzen zu wollen.
»Corum?« Calatin wirbelte auf der ersten
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