Corum 05 - Der gefangene König
Augen und das weiße Fleisch der Ghoolegh hatte, offenbar selbst eine lebende Tote. Das hieß, daß die beiden sich hier nicht heimlich aufhielten. Sie waren Gäste, denen man Diener geschickt hatte, um sie zu versorgen.
Einer dieser Gäste der Fhoi Myore war groß, schlank, mit Juwelenringen über seinen Handschuhen und einem juwelengeschmückten, goldenen Halsreif. Sein langes Haar und sein langer Bart waren grau und rahmten ein altes Gesicht von anziehender Schönheit ein. Von einer Kette um seinen Hals hing ein Horn, das jetzt auf seiner Brust lag. Es war ein langes Horn, mit Bändern aus Gold und Silber verziert. Corum wußte, daß jedes dieser Bänder ein anderes Waldtier darstellte. Er hatte den Mabden, der das Horn trug, in der Nähe des Mordelsberges getroffen und ihm für den Verlust des Horns seinen Namensmantel gegeben. Das Horn, das er durch Corums Schuld verloren hatte, mußte inzwischen wieder in den Besitz des Mabden gelangt sein. Dort saß der Zauberer Calatin, der seine geheimen Pläne verfolgte, die weder mit seinen Mabden-Landsleuten noch mit der Fhoi Myore etwas zu tun hatten so hatte Corum jedenfalls bisher angenommen.
Aber, was Corum noch mehr schockierte, war der Anblick von Ca-latins Begleiter einem Mann, der geschworen hatte, den Angelegenheiten dieser Welt für immer den Rücken zu kehren. Neben ihm stand seine doppelschneidige Streitaxt, die Corums Axt nicht unähnlich war. Der Mann nannte sich einen Zwerg, obwohl er gut acht Fuß groß war und vier Fuß in den Schultern breit.
Es war Goffanon, der Sidhi-Schmied von Hy-Breasail, der Corum den Speer Bryionak gegeben hatte und das Fläschchen mit seinem Speichel, das sich Calatin so gewünscht hatte. Wie konnte es möglich sein, daß Goffanon sich mit den Fhoi Myore verbündet hatte, ganz abgesehen von dem Zauberer Calatin. Goffanon hatte geschworen, daß er sich nie wieder in den Krieg zwischen den Sterblichen und den Göttern des Limbus einmischen würde.
Hatte er Corum betrogen? War er schon damals mit den Fhoi Myore und dem Zauberer Calatin verbündet? Aber wenn dem so war, warum hatte er dann Corum den Speer Bryionak gegeben, der den Fhoi Myore die Niederlage von Caer Mahlod bereitet hatte?
Jetzt drehte Goffanon seinen Kopf langsam zur Tür um, als ahne er etwas von Corums Anwesenheit. Der Vadhagh zog sich hastig zurück, da er nicht sicher war, ob der Sidhi ihn nicht trotz seines Mantels sofort entdecken würde.
Auf Goffanons Gesicht lag ein eigenartiger Ausdruck. Es wirkte müde und traurig, aber Corum blieb nicht genug Zeit, diesen Ausdruck genauer zu analysieren.
Mit schwerem Herzen und voll Entsetzen über Goffanons Verrat schlich Corum leise zurück zur Treppe. Calatins Bündnis mit den Fhoi Myore überraschte ihn bei genauerem Nachdenken nicht besonders. Während er davonschlich, hörte Corum den Zauberer noch sagen:
»Wir werden morgen mit ihnen ziehen.«
Und Goffanon antwortete mit tiefer, abwesender Stimme:
»Nun beginnt die wirkliche Eroberung des Westens.«
Also bereiteten sich die Fhoi Myore für die Entscheidungsschlacht vor. Sicher würden sie wieder gegen Caer Mahlod ziehen. Und diesmal hatte sich ein Sidhi mit ihnen verbündet, und es gab keine Sidhi-Waffe mehr, die sie aufhalten konnte.
Diese Aussicht bestärkte Corum in seinem Vorhaben. Schnell sprang er die Stufen hinauf. Als er um eine Windung der Treppe bog, sah er eine Masse lebenden Fleisches vor sich, die den Treppengang von Wand zu Wand ausfüllte. Es blieb kein Platz, unbemerkt an ihr vorbei zu schlüpfen.
Der lebende Fleischberg sah Corum nicht, aber er hob seine Schnauze und schnüffelte. Sein rosa, mit Borsten bewachsenes Fleisch zitterte, während er sich auf seinen fünf Armen in eine Art sitzende Position aufrichtete. Drei der Arme waren menschlich, hatten allerdings wohl einmal einem alten Mann, einer Frau und einem Kind gehört. Ein anderer Arm paßte zu einem großen behaarten Affen, und der fünfte mußte das Glied eines großen Reptils gewesen sein. Die Beine, die jetzt unter dem Fleischberg erschienen, endeten in einem menschlichen Fuß, einem Huf und einer Hundepranke. Das bizarre Wesen war nackt, geschlechtslos und unbewaffnet. Es stank nach Kot, Schweiß und Abfällen. Während es seine Position veränderte, winselte es.
So leise wie möglich zog Corum sein Schwert. Die drei ungleichen Augen des Fleischberges sahen ihn offenbar nicht. Drei unförmige Lider schlossen sich über den drei Augen, als das Wesen sich beruhigt wieder zum
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